Rz. 65

Der Vorsteuerbetrag muss dem Unternehmer aufgrund von Lieferungen oder sonstigen Leistungen berechnet worden sein. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass grundsätzlich nur für steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen[1] Rechnungen mit Steuerausweis gem. § 14 Abs. 4 UStG erteilt werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 15 UStG berechtigen nur Steuerbeträge, die für Umsätze im Inland in Rechnung gestellt werden, zum Vorsteuerabzug. Nicht abziehbar sind somit die ggf. gesondert in Rechnung gestellten und mit Umsatz-, Einfuhrumsatz- oder MwSt bezeichneten Beträge für Umsätze im Ausland.[2]

 

Rz. 66

Lieferungen und sonstige Leistungen sind umsatzsteuerliche Begriffe mit einem speziellen Inhalt und Anwendungsbereich. Der EuGH legt sie autonom aus – zu Recht unabhängig von den zivilrechtlichen Vorschriften in den EU-Mitgliedstaaten, denn diese können den EuGH bei der Interpretation von Unionsrecht nicht binden.[3] I. d. S. sind sie auch zur Wahrung der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung in der Vorschrift über den Vorsteuerabzug zu verstehen. Soweit also der Unternehmer – für ihn erkennbar – für einen nicht steuerbaren Vorgang eine wie auch immer bezeichnete Abrechnung mit offenem Steuerausweis erhält, mag er diese zurückzuweisen. Der Vorsteuerabzug ist jedenfalls aus derartigen Dokumenten unzulässig.

 
Praxis-Beispiel
  • Mitgliedsbeiträge an einen Verein werden von diesem mit gesondertem Steuerausweis abgerechnet. Sog. echte Mitgliedsbeiträge, die ein Verein oder eine Gesellschaft zur Erfüllung des allgemeinen Vereinszwecks erhebt, sind keine Entgelte für Leistungen des Vereins an die Mitglieder.[4] Nach der Entscheidung des EuGH v. 21.3.2002[5] ist diese Beurteilung aber – zumindest bei Sportvereinen – nicht mehr uneingeschränkt aufrechtzuerhalten, denn mit dem Mitgliedsbeitrag werde bei einem Golfclub, so der EuGH, eine Leistung des Vereins – Möglichkeit der Nutzung der Sportanlagen des Vereins – abgegolten (Rz. 221).
  • Es liegt eine Rechnung über eine fingierte Lieferung vor.
  • Eine im Voraus berechnete Lieferung oder sonstige Leistung wird nicht ausgeführt. Die Rechnung ist zu stornieren.
  • Ein Unternehmer hat für einen Schaden bei einem anderen Unternehmer aufzukommen. Der Schadensbetrag wird ihm vom Geschädigten in einer Rechnung mit offenem Steuerausweis belastet. Schadensersatz ist keine Leistung; mithin kann aus derartigen "Rechnungen" der Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden.
 

Rz. 66a

Nur aus tatsächlich vom Rechnungsaussteller erbrachten Leistungen ist der Vorsteuerabzug zulässig. Der EuGH hat daher im Urteil v. 13.2.2014[6] den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung versagt, bei der nicht feststand, wer die in Rechnung gestellte Leistung tatsächlich bewirkt hatte, denn offenbar war die Abrechnung im Rahmen betrügerischer Geschäfte erteilt worden.

 

Rz. 66b

Im Urteil v. 31.5.2018 – ergangen auf die Vorabentscheidungsersuchen der beiden USt-Senate des BFH v. 21.9.2016[7] hat der EuGH konsequenterweise daher zu Art. 65 und 167 MwStSystRL entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus Anzahlungen für ein definitiv nicht geliefertes Blockheizkraftwerk versagt werden muss, wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass der Zahlende im Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung der Leistung unsicher war. Die beiden Umsatzsteuer-Senate des BFH haben diese Auffassung in ihren Folgeurteilen[8] ohne Weiteres übernommen.

 

Rz. 66c

Weiter hat der EuGH im Urteil v. 31.5.2018 aber auch postuliert, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach den nationalen Vorschriften oder Gepflogenheiten davon abhängig gemacht werden darf, dass die Anzahlung vom Lieferer zurückgezahlt wird. Das entspricht der Rspr. des V. Senats des BFH zu § 17 UStG, s. Urteile v. 2.9.2010 und v. 15.9.2011 und der Verwaltungspraxis gem. Abschn. 17.1 Abs. 7 UStAE. In den in Rz. 66b genannten Urteilen des BFH v. 5.12.2018 und v. 17.7.2019 wurde diese Linie bestätigt.[9]

 

Rz. 66d

Nach dem Urteil des EuGH vom 7.3.2018[10] kann der Vorsteuerabzug versagt werden, wenn der Steuerpflichtige seine Ausgangsumsätze nicht erklärt, weil die Verwaltung dann nicht den Zusammenhang zwischen den Eingangs- und Ausgangsumsätzen nicht zuverlässig feststellen kann.

 

Rz. 67

Die erbrachte Leistung – es kann sich selbstverständlich auch um eine eigenständige Teilleistung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses wie z. B. bei Miet- oder Lizenzverträgen[11] handeln oder um eine entgeltliche Leistungsbereitschaft[12] – muss ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnisse identifizierbar sein. Man muss annehmen, dass die Darlegungs- und Beweislast für derartige Erkenntnismittel beim Unternehmer liegt, der den Vorsteuerabzug begehrt.[13]

 

Rz. 67a

In dem Urteil v. 10.11.1994 hat der BFH[14] dazu verlangt, dass die Rechnung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglicht, über die abgerechnet wurde. Ähnlich: BFH v. 12.3.2020. Danach genügt die Bezeichnung "Produktverkäufe" auch dann nic...

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