Rz. 69

§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG verlangt die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift sowohl des leistenden Unternehmers als auch des Leistungsempfängers. Vor dem 1.1.2004 schrieben die Nrn. 1 und 2 des § 14 Abs. 1 UStG 1999 nur die Angabe von Namen und Anschriften von leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger vor. Insofern ist zu fragen, ob mit dem Verlangen nach "vollständiger" Aufführung dieser Angaben eine Verschärfung der Praxis beabsichtigt war in dem Sinne, dass z. B. die fehlende Hausnummer oder Postleitzahl in der Anschrift eine Rechnung als ungeeignet für den Vorsteuerabzug machen würde. Der Gesetzesbegründung lässt sich dazu nichts entnehmen. Man kann allerdings darauf hinweisen, dass schon bisher unvollständige Angaben die Qualität einer Urkunde als ordnungsgemäße Rechnung für den Vorsteuerabzug nicht gewährleistet haben. Deshalb ist davon auszugehen, dass die bisherigen Grundsätze der Praxis nicht geändert werden sollten.

 

Rz. 69a

Das BMF-Schreiben v. 18.9.2020 zur Rechnungsberichtigung verlangt zu Recht, dass aus der Rechnung hervorgehen muss, wer die Leistung erbracht hat – unabhängig davon, wer die Rechnung ausgestellt hat.[1]

Dazu reicht es aus, "dass der leistende Unternehmer durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung eindeutig identifizierbar und eine Verwechslungsgefahr mit anderen Unternehmern ausgeschlossen ist". Ist das zu bejahen, bedarf es keiner Berichtigung der Rechnung.

 

Rz. 70

§ 31 Abs. 2 UStDV i. d. F. ab 1.1.2004 lässt es wie schon bisher genügen, dass sich aufgrund der in der Rechnung aufgenommenen Bezeichnungen der Name und die Anschrift sowohl des leistenden Unternehmers als auch des Leistungsempfängers eindeutig feststellen lassen. Wenn also z. B. anstelle der Hausnummer der Name des Hauses, z. B. "Villa Seeblick", neben der Straße angegeben wird, dürfte dies genügen, ebenso wie z. B. "Hotel Post in X-Stadt" oder ähnliche Angaben, die auch ohne Straßenangabe eine eindeutige Ermittlung der Anschrift ermöglichen.

 

Rz. 71

Das FG Berlin-Brandenburg hat im Beschluss v. 22.2.2011[2] entschieden, dass eine Rechnung, in der fehlerhaft die Adresse "X-GmbH" lautete anstelle der zutreffenden Bezeichnung "X-Sp-z.o.o." – das ist die Bezeichnung für eine GmbH polnischen Rechts –, für den Vorsteuerabzug nicht ausreicht, weil i. V. m. der verkürzten Namensangabe die Verwechslungsgefahr mit einer Schwestergesellschaft bestand, die unter der gleichen Anschrift domizilierte. Gegen dieses Urteil ist, auch wenn es sehr streng wirkt, unter dem Gesichtspunkt, dass Rechnungen den Leistungsempfänger eindeutig benennen müssen, nichts einzuwenden.[3]

 

Rz. 72

Gemäß § 31 Abs. 3 UStDV dürfen Abkürzungen, Buchstaben, Zahlen oder Symbole für die in § 14 Abs. 4 Nr. 1 (und 5) UStG unbedingt erforderlichen Angaben verwendet werden, wenn deren Bedeutung in der Rechnung oder in anderen Unterlagen zur Rechnung eindeutig festgelegt sind. Diese anderen Unterlagen müssen sowohl beim Aussteller der Rechnung als auch beim Rechnungsempfänger vorhanden sein, weil sonst eine Überprüfung nicht möglich ist.

 

Rz. 73

Abschn. 14.5 Abs. 2 UStAE lässt es für die Anschrift des Leistungsempfängers genügen, dass ein Postfach oder eine Großkundenadresse anstelle der tatsächlichen Anschrift angegeben wird.

 

Rz. 73a

Der BFH (V. Senat) hatte in dem Urteil v. 22.7.2015[4] zu entscheiden, dass die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit nur postalischer Erreichbarkeit keine vollständige Angabe der Anschrift darstelle, denn es müsse sich bei der Anschrift um einen Ort mit einer wirtschaftlichen Aktivität handeln. Das war nicht überzeugend. In den Vorlagebeschlüssen v. 6.4.2016 fragten sowohl der V.[5] als auch der XI. Senat des BFH den EuGH, ob es für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a i. V. m. Art. 15 MwStSystRL ausreiche, als "vollständige Anschrift" gem. Art. 226 Nr. 3 MwStSystRL eine postalisch erreichbare Anschrift anzugeben, an der vom Rechnungsaussteller jedoch keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird. Dabei war erkennbar, dass der XI. Senat dies bejahen wollte, wohingegen der V. Senat seine gegenteilige bisherige Rechtsprechung verteidigte.[6]

 

Rz. 73b

Der EuGH hat am 15.11.2017 i. S. d. XI. Senats des BFH entschieden. Überzeugend legt der EuGH dazu dar, dass die postalische Erreichbarkeit völlig ausreichend sei, um den Rechnungsaussteller seitens der Finanzverwaltung zu identifizieren; schließlich gebe es ja auch noch die Verpflichtung zur Angabe der Steuernummer oder der USt-IDNr., die auch diesem Zweck diene. Das entspricht den Anforderungen der Praxis. Die Überprüfung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit an einer Anschrift tatsächlich ausgeübt wird, ist für den Rechnungsempfänger im Regelfall völlig unmöglich und auch unzumutbar. Dennoch folgte die Verwaltung der Auffassung des V. Senats des BFH, wie die Veröffentlichung des BFH-Urteils v. 22.7.2015 im BStBl II zeigt. Der BFH ist mit den Urteilen vom 13.6.2018[7] und vom 21.6.2018[8] auf die Linie des EuGH eingesc...

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