Rz. 30

Durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz[1] ist – befristet auf Umsätze in der Zeit vom 1.7. bis 31.12.2020 – der allgemeine Steuersatz von 19 % auf 16 % und der ermäßigte Steuersatz von 7 % auf 5 % abgesenkt worden. Die entsprechenden Regelungen wurden nicht in § 12 Abs. 1 und 2 UStG, sondern in § 28 Abs. 1 bis 3 UStG (Zeitlich begrenzte Fassungen einzelner Gesetzesvorschriften) getroffen. Erstmals seit Einführung der MwSt in Deutschland im Jahr 1968 werden damit – wenn auch nur befristet – die USt-Sätze gesenkt. Diese Maßnahme ist Teil des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets der Bundesregierung, das am 3.6.2020 von den Koalitionspartnern CDU, CSU und SPD beschlossen wurde. Der Gesetzgeber erwartet durch die Absenkung der USt-Sätze eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur. Dabei geht er davon aus, dass die Unternehmer die USt-Senkung an ihre Kunden weitergeben, was allerdings nicht selbstverständlich ist (Rz. 37ff.). Laut der Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung[2] intendiert die Absenkung der USt-Sätze, dem Konsum einen kräftigen Impuls zu geben. Dies käme besonders Beziehern von kleineren Einkommen zugute, die einen größeren Anteil ihres Einkommens für den Konsum ausgeben. Ob es durch die Maßnahme tatsächlich zu einer Konjunkturbelebung kommt, wurde schon vor Beginn der Steuersatzsenkung in der Literatur teilweise mit Skepsis betrachtet.[3]

Auch nach Auslaufen der auf das zweite Halbjahr 2020 befristeten Steuersatzsenkung geht die Literatur überwiegend davon aus, dass es den von Bundesfinanzminister Scholz für die Konjunktur erhofften "Wumms" nicht gegeben hat. So kommt z. B. das Ifo-Institut[4] zum Ergebnis, dass einem Konsumeffekt von ca. 6,3 Mrd. EUR ein Minus beim Umsatzsteueraufkommen von ca. 20 Mrd. EUR entgegenstehe. Somit habe die Maßnahme ihr Ziel wohl verfehlt.

 

Rz. 31

Die befristete Absenkung sowohl des allgemeinen als auch des ermäßigten Steuersatzes ist durch das Unionsrecht gedeckt. Der Normalsatz der MwSt in der EU muss gem. Art. 97 MwStSystRL mind. 15 % betragen (Rz. 97), während der niedrigste von zwei möglichen ermäßigten Steuersätzen gem. Art. 99 Abs. 1 MwStSystRL mind. 5 % betragen muss (Rz. 98). Damit entspricht sowohl die befristete Absenkung des allgemeinen Steuersatzes als auch des ermäßigten Steuersatzes in Deutschland dem Unionsrecht. Durch Einfügung eines Art. 129a in die MwStSystRL[5] wurde es den EU-Mitgliedstaaten gestattet, zeitlich bis 31.12.2022 befristet einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung von COVID-19-In-vitro-Diagnostika und damit zusammenhängende Dienstleistungen anzuwenden oder eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug (sog. Nullsatz) auf die Lieferung von COVID-19-Impfstoffen und damit zusammenhängende Dienstleistungen zuzulassen. Deutschland hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht (Rz. 91). Auch bei bestimmten Dienstleistungen (z. B. Restaurantdienstleistungen) wenden einige EU-Mitgliedstaaten (vorübergehend) ermäßigte Steuersätze an. Die vom 1.7.2020 bis 31.12.2023 in Deutschland geltende Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Speisenabgabe innerhalb von Restaurationsdienstleistungen[6] entspricht ebenfalls dem Unionsrecht (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG Rz. 4).

[1] Art. 3 Nr. 3 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise v. 30.6.2020, BGBl I 2020, 1512.
[2] BR-Drs. 329/20.
[3] Vgl. Jahn, NWB 25/2020, 1809; Hechtner, NWB 25/2020, 1826; Rondorf, NWB 28/2020, 2068; Beer/Finken, MwStR 2020, 560.
[4] Fuest/Neumeiner/Peichl, Hat die Mehrwertsteuersenkung den Konsum belebt?, Ifo Schnelldienst 1/2021 v. 4.1.2021.
[5] Richtlinie (EU) 2020/2020 des Rates v. 7.12.2020 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf zeitlich befristete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer für COVID-19-Impfstoffe und In-vitro-Diagnostika als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, ABl EU 2020 Nr. L 419/1.

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