Rz. 24

Zum 1.1.2007 ist der allgemeine Steuersatz von bisher 16 auf 19 % erhöht worden.[1] Während der allgemeine Steuersatz bisher lediglich um einen Prozentpunkt angehoben worden war, gab es zum 1.1.2007 erstmals eine Erhöhung um drei Prozentpunkte. Der ermäßigte Steuersatz ist – wie bereits bei den beiden vorherigen Anhebungen des allgemeinen Steuersatzes zum 1.1.1993 und zum 1.4.1998 – unverändert bei 7 % geblieben.

Die Steuersatzerhöhung um drei Prozentpunkte hat die Bundesregierung im Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006[2] damit begründet, dass sich die Situation der öffentlichen Haushalte seit Mitte der neunziger Jahre fortlaufend verschlechtert habe. Die öffentlichen Haushalte befänden sich derzeit in einer außerordentlich ernsten Lage. Die laufenden Ausgaben überstiegen die regelmäßig fließenden Einnahmen dramatisch. Das gesamtstaatliche Defizit habe im Jahr 2005 infolgedessen bei 3,5 % des Bruttoinlandprodukts gelegen. Obwohl sich zu Beginn des Jahres 2006 zwar eine leichte Aufhellung der Perspektiven für die deutsche Wirtschaft sowie auf dem Arbeitsmarkt abzeichne, bleibe die Lage der öffentlichen Haushalte äußerst angespannt. Deshalb ergebe sich für den Bundeshaushalt ein erheblicher struktureller Handlungsbedarf. Die Anhebung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % diene der Erzielung von Einnahmen zu Zwecken der Haushaltskonsolidierung sowie der Reduzierung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung.

Deshalb setze der Bund das Aufkommen eines MwSt-Punkts, das ihm zu diesem Zweck durch Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in voller Höhe zur Verfügung gestellt werde, zur Unterstützung der ebenfalls zum 1.1.2007 vorgesehenen Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte auf 4,5 % ein. Der bisherige Defizitzuschuss des Bundes zur Bundesagentur für Arbeit entfalle zukünftig. Hinsichtlich der üblicherweise mit einer Steuersatzerhöhung verbundenen Erhöhung der Verbraucherpreise vertrat die Bundesregierung in der Begründung des Regierungsentwurfs die Auffassung, dass ein vollständiges Überwälzen der höheren USt auf die Verbraucher aufgrund der angespannten binnenwirtschaftlichen Konjunktur und des auf vielen Teilmärkten vorherrschenden scharfen Wettbewerbs unwahrscheinlich sei.

 

Rz. 25

Obwohl der Regierungsentwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006 dies nicht vorsah, sind aufgrund einer Bundesratsinitiative, der die Bundesregierung zugestimmt hat[3], die Durchschnittssätze in § 24 UStG angehoben worden. Der Durchschnittssatz für bestimmte Sägewerkserzeugnisse, Getränke und alkoholische Getränke in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG ist – ebenso wie der allgemeine Steuersatz – von 16 auf 19 % angehoben worden. Der Durchschnittssatz für die Lieferungen forstwirtschaftlicher Erzeugnisse in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG stieg zum 1.1.2007 von 5 auf 5,5 %. Der für die übrigen (landwirtschaftlichen) Umsätze in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG geltende Durchschnittssatz wurde von 9 auf 10,7 % angehoben. Zum 1.1.2022 wurde dieser Durchschnittssatz allerdings auf 9,5 % herabgesetzt[4] und zum 1.1.2023 nochmals auf 9 %.[5]

 

Rz. 26

Wenn dies auch in der offiziellen Begründung des Regierungsentwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006 nicht zum Ausdruck kommt, erwartete die Bundesregierung aufgrund der Anhebung des allgemeinen Steuersatzes um drei Prozentpunkte neben der Haushaltskonsolidierung eine Stärkung der Binnennachfrage in der zweiten Jahreshälfte 2006. Tatsächlich haben viele Bürger Anschaffungen und Investitionen vorgezogen, um dem erwarteten Preisanstieg zum Jahresbeginn 2007 zu entgehen. Dies betraf z. B. Investitionen im Baubereich (insbesondere Sanierungsmaßnahmen), die Anschaffung neuer Pkw, aber auch größere Anschaffungen im Konsumgüterbereich (z. B. Unterhaltungselektronikartikel im Weihnachtsgeschäft). Damit waren letztlich die Erwartungen der Bundesregierung erfüllt worden.

 

Rz. 27

Wegen der erstmals praktizierten Anhebung des allgemeinen Steuersatzes in Deutschland um ganze drei Prozentpunkte hatten zahlreiche Autoren Tipps und Hinweise gegeben, auf welche Weise nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer oder private Endverbraucher bei Anschaffungen zum Jahreswechsel 2006/2007 noch in den Genuss des bisherigen allgemeinen Steuersatzes von 16 % kommen könnten bzw. was leistende Unternehmer tun müssten, um für derartige Leistungen noch die USt zum alten Steuersatz berechnen zu können.

[1] Art. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (HBeglG 2006) v. 29.7.2006, BGBl I 2006, 1402, BStBl I 2006, 410.
[2] BT-Drs. 16/752.
[3] Vgl. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006, BT-Drs. 16/1369.
[4] Art. 1 Nr. 5 Buchst. a des Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht v. 21.12.2021, BGBl I 2021, 5250.
[5] Art. 12 Nr. 3 des Achten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen v. 24.10.2022, BGBl I 2022, 1838.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge