Rz. 27

Durch Art. 5 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung v. 19.12.1997[1] ist der allgemeine Steuersatz mWv 1.4.1998 von bisher 15 % auf 16 % erhöht worden.

Gegen diese Maßnahme legte ein Ehepaar mit sechs Kindern Verfassungsbeschwerde ein. Die Beschwerdeführer rügten darin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaats- und das Sozialstaatsprinzip. Die Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes führe zu einer materiellen Belastung der Endverbraucher, die sich für die Beschwerdeführer auf mindestens 40 bis 45 DM belaufe. Diese Erhöhung, die die erdrosselnde Wirkung des staatlichen Abgabensystems in seiner Gesamtheit für die Familien mit mehr als einem Kind verschärfe, verstoße gegen das Übermaßverbot und gegen das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.

 

Rz. 28

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen[2], weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vorlagen. Es hat u. a. ausgeführt, dass die Anhebung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes zwar bei Mehrkinderfamilien zu einer höheren Belastung mit USt als bei einer kinderlosen Ehe führt, aber hierdurch der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht direkt verletzt wird. Die höhere Belastung von Mehrkinderfamilien durch die indirekte Besteuerung sei im Binnensystem der indirekten Steuern unvermeidlich und gesetzessystematisch folgerichtig. Sie müsse aber eine diesen Belastungsfaktor kompensierende Entlastung bei der direkten Besteuerung, d. h. bei der ESt, zur Folge haben. Der Steuergesetzgeber habe deshalb stets darauf zu achten, dass eine Erhöhung indirekter Steuern und Abgaben den Lebensbedarf vermehre und die existenzsichernden Abzüge diesem erhöhten Bedarf anzupassen seien. Infolgedessen seien die Folgen einer Umsatzsteuererhöhung für Familien mit Kindern und deren Auswirkung auf das Kinderexistenzminimum keine Frage des Umsatzsteuerrechts, sondern eine solche des Einkommensteuerrechts.

 

Rz. 29

Durch Gesetz v. 29.6.2006[3] ist der allgemeine Steuersatz mWv 1.1.2007 von bisher 16 auf 19 % erhöht worden. Auch gegen diese Erhöhung wandte sich ein Ehepaar und eines ihrer insgesamt sechs Kinder mit einer Verfassungsbeschwerde. Sie vertraten die Auffassung, dass die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes das Prinzip der Steuergerechtigkeit verletze, weil eine Familie mit Kindern durch die Steuererhöhung mehr belastet würde als Kinderlose mit gleichem Einkommen. Das BVerfG nahm auch diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.[4] Es bezog sich auf die Ausführungen in seiner Entscheidung zur Erhöhung des allgemeinen Steuersatzes zum 1.4.1998 von 15 auf 16 % v. 23.8.1999 (Rz. 28) und führte weiter aus, die Erhöhung der indirekt erhobenen USt bewirke zwar eine relative steuerliche Mehrbelastung von Familien mit Kindern gegenüber Kinderlosen. Diese Belastung sei jedoch im System der indirekten Steuern notwendig angelegt und gesetzessystematisch folgerichtig.

[1] BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7.
[3] Art. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 v. 29.6.2006, BGBl I 2006, 1402, BStBl I 2006, 410.

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