Rz. 89

Schafft ein bislang nicht als Unternehmer tätiger Betreiber nach dem 31.12.2022 eine sog. Inselanlage zum Nullsteuersatz an, die keinen Strom in das Stromnetz abgibt (z. B. ein sog. Balkonkraftwerk), wird er dadurch – mangels Ausführung von Umsätzen – nicht zum Unternehmer. Einem solchen Betreiber erwachsen durch den Erwerb der Anlage keinerlei umsatzsteuerliche Pflichten. Insbesondere braucht er keine USt-Erklärungen abzugeben.

 

Rz. 90

Erwirbt ein bislang nicht als Unternehmer tätiger Betreiber (insbesondere eine Privatperson) nach dem 31.12.2022 zum Nullsteuersatz eine Fotovoltaikanlage, die auch Strom in das öffentliche Stromnetz abgibt, erhält der Betreiber hierfür eine Einspeisevergütung. Die Einspeisevergütung ist Entgelt für den Stromverkauf an das betreffende Energieunternehmen bzw. den Netzbetreiber als Abnehmer dieses Stroms. Der Betreiber der Fotovoltaikanlage wird durch den nachhaltigen Stromverkauf gegen Entgelt zum Unternehmer i. S. d. § 2 UStG. Ob die Einnahmen aus dem Stromverkauf nach § 3 Nr. 72 EStG einkommensteuerfrei sind, ist ohne Bedeutung, da es bei der USt allein auf die Einnahmeerzielungsabsicht ankommt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist für die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft nicht erforderlich.[1]

 

Rz. 91

Da die Einspeisevergütung einer einzelnen Fotovoltaikanlage in den meisten Fällen weder die Umsatzgrenze von 22.000 EUR jährlich (für das Vorjahr) noch die voraussichtliche Umsatzgrenze von 50.000 EUR jährlich (für das laufende Kalenderjahr) übersteigt, kann der Unternehmer (Stromverkäufer) von der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG Gebrauch machen. In diesem Fall fällt weder für den an das jeweilige Energieunternehmen bzw. den jeweiligen Netzbetreiber verkauften Strom noch für den selbst verbrauchten Strom USt an. Für die Frage, ob die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen werden kann, müssen Betreiber mehrerer Fotovoltaikanlagen die Umsätze der einzelnen Anlagen addieren. Für Zwecke der Ermittlung der Grenzen von 22.000 EUR und 50.000 EUR zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung ist nämlich der Gesamtumsatz aller Anlagen und ggf. auch weiterer umsatzsteuerlicher Tätigkeiten zusammenzurechnen.

 

Rz. 92

Rechtlich gesehen sind auch Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG zur Abgabe von USt-Jahreserklärungen verpflichtet.[2]

Die Besteuerungspraxis sieht allerdings oft anders aus. Wer sich beim Finanzamt nicht umsatzsteuerlich registrieren lässt, wird in vielen Fällen auch nicht zur Abgabe von USt-Erklärungen aufgefordert bzw. hierzu angemahnt. Gleichwohl hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 um Prüfung gebeten, ob umsatzsteuerliche Kleinunternehmer von diesen steuerlichen Pflichten freigestellt werden können.[3] Die Bundesregierung wird dieser Prüfbitte nachkommen.[4]

 

Rz. 93

Die als Kleinunternehmer fungierenden Betreiber von Fotovoltaikanlagen müssen darauf achten, dass ihnen das jeweilige Energieunternehmen bzw. der jeweilige Netzbetreiber als Abnehmer des Stroms in den Abrechnungen über die Einspeisevergütung keine USt gesondert ausweist. Einer solchen Abrechnung über die Einspeisevergütung, die umsatzsteuerlich als Gutschrift anzusehen ist (vgl. § 14 Abs. 2 UStG), sollte der Anlagenbetreiber möglichst zeitnah widersprechen. Durch den Widerspruch verliert die Gutschrift die Wirkung einer Rechnung. Wenn der Anlagenbetreiber die Gutschrift mit der gesondert ausgewiesenen USt allerdings widerspruchslos akzeptiert, entsteht bei ihm eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG (unrichtiger Steuerausweis). In diesem Fall ist der Anlagenbetreiber verpflichtet, die unrichtig ausgewiesene USt im Rahmen einer USt-Erklärung an das Finanzamt abzuführen.

[3] BT-Drs. 20/4229 v. 2.11.2022, 16 und 58.
[4] Vgl. Zugmaier/Mateev, DStR 2022, 2337, 2339.

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