Rz. 539h1

Umstritten war, ob die Mindestbemessungsgrundlage auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Leistung von einem Unternehmer an eine nahestehende Person ausgeführt wird, die selbst Unternehmer ist und zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Während der BFH[1] die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage in diesen Fällen 2008 noch grundsätzlich bejaht hatte, ist er zumindest teilweise in einer weiteren Entscheidung[2] davon abgewichen. Die Mindestbemessungsgrundlage ist zumindest bei Leistungen an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer dann nicht anwendbar, wenn der vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG unterliegen kann. Die Finanzverwaltung[3] hat mittlerweile die Grundsätze in Abschn. 10.7 Abs. 6 UStAE mit aufgenommen. Zumindest die Voraussetzung, dass die Mindestbemessungsgrundlage nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Leistungsempfänger nicht voll zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist entsprechend auch unionsrechtlich vom Grundsatz des Art. 80 Abs. 1 MwStSystRL abgedeckt.

 

Rz. 539h2

Fraglich ist, wie weit die Auslegung gehen kann, dass der Vorgang keiner Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG unterliegen kann; dies ergibt sich unionsrechtlich nicht unmittelbar aus Art. 80 MwStSystRL, könnte aber über eine sinngemäße Auslegung erreicht werden. Die Finanzverwaltung[4] hat zur Lieferung von Strom und Wärme an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer grundsätzlich festgestellt, dass nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 UStG die Mindestbemessungsgrundlage anwendbar wäre, da es sich um eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG handelt, die ihrer Art nach dem Berichtigungstatbestand des § 15a Abs. 2 UStG unterliegt. In Ergänzung der bisherigen Aussagen im UStAE stellt die Finanzverwaltung allerdings klar, dass bei der Lieferung von Strom und Wärme an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer die Mindestbemessungsgrundlage keine Anwendung findet, wenn die Leistung im Zeitpunkt der Lieferung verbraucht wird.[5] Teilweise ist aber wichtiger, was die Finanzverwaltung mittelbar durch ein BMF-Schreiben zum Ausdruck bringt. Es ist schon fraglich, ob es für diese Aussage tatsächlich ein BMF-Schreiben bedurft hätte. Die Aussage des BFH, dass die Mindestbemessungsgrundlage aufgrund ihres missbrauchsverhindernden Charakters nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn auch eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegen könnte, wäre auch ohne Umsetzung der Finanzverwaltung auf diese Fälle anzuwenden gewesen. Offensichtlich hängt die Finanzverwaltung aber einer sehr einschränkenden Umsetzung der Grundsätze der Rechtsprechung des BFH nach. Wenn bei der Lieferung von Strom und Wärme – die regelmäßig aufgrund der Sache als solcher in dem Moment der Lieferung einem Verbrauch unterliegen – davon ausgegangen wird, dass dies dem Grunde nach einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG unterliegen könnte, muss gefragt werden, auf welche Leistungen dann die Rechtsprechung des BFH angewendet werden sollte. Grundsätzlich müsste m. E. bei jeder Leistung, die bei dem (voll zum Vorsteuerabzug berechtigten) Leistungsempfänger sofort verbraucht ist, die Rechtsprechung des BFH zur Anwendung kommen. Dies scheint zumindest für die Finanzverwaltung nicht so klar und eindeutig zu sein, ansonsten hätte es nicht dieses Schreibens bedurft. Insbesondere bei Vermietungsumsätzen an nahestehende Personen (soweit die Vermietung aufgrund zulässiger Option steuerpflichtig vorgenommen werden kann), spielt die Frage der Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage bei Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger eine wichtige Rolle, da (bei Neubauten) durch die Verteilung der Herstellungskosten über den maßgeblichen (bei Immobilien 10-jährigen) Berichtigungszeitraum die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG regelmäßig zu deutlich über dem marktüblichen Preisen liegenden Werten führen wird.

 
Praxis-Beispiel

Gesellschafter G hat ein Gebäude errichtet, in dem er auch an eine Gesellschaft, an der er beteiligt ist, unter zulässigem Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 UStG steuerpflichtig Gewerberäume vermietet. Zwischen G und der Gesellschaft wird ein Mietpreis von 10 EUR pro m² (netto) vereinbart. Aufgrund der Verteilung der Herstellungskosten würde sich nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG eine Bemessungsgrundlage von 40 EUR pro m² ergeben. Andere Mieter zahlen für vergleichbare Flächen 15 EUR pro m².

Zwischen dem G und der Gesellschaft liegt ein rechtliches Näheverhältnis vor, sodass es dem Grunde nach zur Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage kommen müsste. Dies würde zu einer Bemessungsgrundlage von 40 EUR pro m² führen, allerdings beim marktüblichen Preis von 15 EUR pro m² gedeckelt. Allerdings muss – damit die Option nach § 9 Abs. 2 UStG[6] für die Vermietung ausgeübt werden kann – der Mieter ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Mieter sein. Für laufende Mietzahlungen kann auch zu einem späteren Z...

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