Rz. 519

Unentgeltliche Wertgaben führen – soweit es sich um die Wertabgaben von Gegenständen handelt – unabhängig der Motivation zu steuerbaren Umsätzen nach § 3 Abs. 1b UStG. Damit zählen auch Wertabgaben aus karitativen Gründen (z. B. Abgabe von Lebensmitteln an Tafeln) nach der systematischen Logik unzweifelhaft zu steuerbaren[1] und steuerpflichtigen Umsätzen des Unternehmers. Von besonderer Bedeutung ist in diesen Fällen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG sind die zum Zeitpunkt der Ausführung der unentgeltlichen Wertabgabe maßgeblichen Einkaufspreise (Wiederbeschaffungskosten) als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Gerade bei Lebensmitteln, die zwar noch verzehrgeeignet sind (ansonsten dürften sie auch gar nicht an karitative Einrichtungen abgegeben werden), deren Haltbarkeitsdatum aber kurz vor dem Ablauf steht, sowie bei frischen, aber im normalen Handel nicht mehr absetzbaren Lebensmitteln, ergibt sich die Frage der Bestimmung zutreffender Einkaufspreise. Es gab hier in der Vergangenheit in Betriebsprüfungen unterschiedliche Auffassungen, bis federführend von dem Sächsischen Finanzministerium 2012[2] eine Nichtbesteuerung solcher Abgaben verkündet wurde. Dies wurde dann u. a. auch in einer Verfügung der OFD Niedersachsen[3] so fortgeführt, in der für diese steuerbaren und steuerpflichtigen Abgaben festgelegt wurde, dass in diesen Fällen "die Bemessungsgrundlage gegen null tendiert". Damit war im Ergebnis für diese Abgaben keine USt von den Unternehmern zu entrichten.

Die Finanzverwaltung[4] hatte im März 2021 erstmals bundeseinheitlich zu der Frage der Besteuerung der unentgeltlichen Sachspenden Stellung genommen und einen neuen Abschn. 10.6 Abs. 1a UStAE eingeführt. Zutreffend wird festgestellt, dass die unentgeltliche Abgabe – auch ohne eine private Motivation – zu einer einer Leistung gegen Entgelt gleichgestellten Lieferung[5] führen kann. Einer besonderen Steuerbefreiung können solche Sachspenden auch nicht unterliegen.

Zur Bemessungsgrundlage der Sachspenden stellt die Finanzverwaltung grundsätzlich klar, dass auch zu berücksichtigen ist, ob die Gegenstände im Zeitpunkt der unentgeltlichen Wertabgabe nur noch stark eingeschränkt oder gar nicht mehr verkehrsfähig sind. Davon ist bei Lebensmitteln auszugehen, wenn diese kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums abgegeben werden oder die Verkaufsfähigkeit als Frischware (Backwaren, Obst und Gemüse) wegen Mängeln nicht mehr gegeben ist. Diese Grundsätze gelten auch analog für Non-Food-Artikel mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (Kosmetika, Drogerieartikel etc.). Aber auch Gegenstände, die aufgrund erheblicher Material- oder Verpackungsfehler oder einer fehlenden Marktgängigkeit (z. B. bei Saisonware) nicht mehr oder nur schwer verkäuflich sind, sollen nach diesen Regelungen behandelt werden.

Die Bemessungsgrundlage kann dann niedriger festgesetzt werden als bei noch uneingeschränkt verkehrsfähiger Ware, der Ansatz soll im Umfang der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit erfolgen. Ein Ansatz der Bemessungsgrundlage mit 0 EUR soll aber nur bei wertloser Ware möglich sein. Exemplarisch für solche "wertlosen" Gegenstände gibt die Finanzverwaltung Lebensmittel und Non-Food-Artikel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sowie Frischwaren, bei denen die Verkaufsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, an.

Bei Neuware, die ohne jegliche Beeinträchtigung nur aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen ausgesondert wird, liegt aber keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit vor. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Gegenstände ansonsten vernichtet werden würden.

 

Rz. 519a

Die Finanzverwaltung hat damit eine bundeseinheitliche Regelung zur Frage der Sachspenden versucht. Im Vergleich zu einem Entwurf dieses Schreibens aus dem Oktober 2020 hat die Finanzverwaltung zwar noch nachgebessert, in einigen Punkten werden sich in der Praxis durch die doch recht unpräzisen Vorgaben neue Streitpunkte ergeben. Es ist der Finanzverwaltung zuzugeben, dass das harmonisierte Unionsrecht keine Möglichkeiten nationaler Subventionen (im Rahmen einer faktischen Steuerfreistellung) zulässt – an dieser Stelle wäre es aber wünschenswert gewesen, wenn die Finanzverwaltung klarere Festlegungen getroffen und damit auch mehr Mut bewiesen hätte. Insbesondere die Abgabe von Lebensmitteln an Tafeln ist nach diesen Festlegungen für den abgebenden Unternehmer weiterhin – oder nun gerade wieder – mit Risiken verbunden. So kann nach Abschn. 10.6 Abs. 1a UStAE bei der Abgabe von Lebensmitteln "kurz" vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums von einer wertlosen Ware ausgegangen werden. Es darf dabei an dieses "kurz" kein zu enger Maßstab angelegt werden. Gerade aber bei der Abgabe von Frischwaren, die keine Mindesthaltbarkeitsdaten enthalten, ist Streit vorprogrammiert, ob bei einer Abgabe "keine Verkaufsfähigkeit" mehr vorgelegen hat. So ist in der Praxis zu beobachten, dass z. B. bei Bäckereien die Backwaren des Vortags mit einem erheblichen Preisabschlag (z. B...

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