Rz. 472

Die Selbstkosten sind "mangels eines Einkaufspreises" anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis nicht ermittelt werden kann.[1] Darunter fallen alle entnommenen oder einem der Entnahme gleichgestellten Umsatz unterliegenden Gegenstände (z. B. bei dem innergemeinschaftlichen Verbringen), die vom Unternehmer tatsächlich nicht angeschafft, sondern hergestellt worden sind und für die ein Einkaufspreis nicht ermittelbar ist. Nach der Verwaltungsauffassung sind die Selbstkosten anzusetzen, wenn es sich um eine Sonderanfertigung handelt oder aus anderen Gründen ein Einkaufspreis nicht ermittelt werden kann.[2] Ob dies in allen Fällen systematisch zutreffend ist, kann aber so bezweifelt werden. Wenn ein produzierender Unternehmer Gegenstände herstellt, erscheint ein Ansatz mit dem von ihm erzielten Preisen (dies wären die Wiederbeschaffungskosten) nicht zielführend. Wenn dies so gewünscht worden wäre, hätte gesetzlich eine Besteuerung mit einem Wiederverkaufspreis vorgegeben werden müssen. Aus der Rechtsprechung des BFH[3] ergibt sich – zumindest für den entschiedenen Fall –, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Entnahme von Strom und Wärme für den Eigenbedarf die für die Strom- und Wärmeerzeugung mit dem Blockheizkraftwerk angefallenen Selbstkosten nur dann anzusetzen sind, soweit ein Einkaufspreis für Strom und Wärme nicht zu ermitteln ist. Soweit dem Unternehmer ein Zugang zu dem öffentlichen Versorgungsnetz zugängig ist (z. B. wird dies regelmäßig bei der Stromversorgung der Fall sein; bei der Versorgung mit Fernwärme setzt dies nach der Entscheidung des BFH einen tatsächlichen Anschluss an ein bestehendes Fernwärmenetz voraus), sind die Selbstkosten nicht anzusetzen, sondern es sind die für ihn am Markt sich ergebenden Einkaufspreise (ohne USt) zu ermitteln.[4]

Diese Rechtsfolgen der Entnahme von Strom aus dem Unternehmen können aber nicht auf jegliche Gegenstandsentnahmen selbst produzierter Wirtschaftsgüter übertragen werden. So ist z. B. bei der Entnahme eines im Unternehmen hergestellten Gegenstands immer ein Einkaufspreis dieses Gegenstands am Markt aus der eigenen Produktion denkbar. Eine Ableitung eines "Einkaufspreises" aus den selbst produzierten und am Markt angebotenen Gegenständen hat der BFH[5] aber ausdrücklich ausgeschlossen. Weiterhin muss es sich auch tatsächlich um den Einkaufspreis eines vergleichbaren Gegenstands handeln, damit für selbst erzeugte Gegenstände der Ansatz der Selbstkosten ausscheidet. Werden vergleichbare Gegenstände in unterschiedlicher Ausstattung, Qualität und Werthaltigkeit angeboten, wird es kaum möglich sein, einen "Einkaufspreis" eines vergleichbaren Produkts zu ermitteln (z. B. Entnahme eines selbst produzierten Fahrrads aus einer auf die Produktion hochwertiger Fahrräder spezialisierten Fahrradmanufaktur) – in diesen Fällen muss auch eine Ermittlung der Bemessungsgrundlage mit den Selbstkosten erfolgen.

 

Rz. 473

Die Selbstkosten sind die jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes anfallenden Beträge, die notfalls fiktiv zu ermitteln sind. Dabei sind Selbstkosten alle durch das betriebliche Leistungsverfahren bis zum Zeitpunkt der Entnahme oder Zuwendung entstandenen Kosten. Das sind sämtliche Aufwendungen in der Form des Güterverbrauchs und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen für die Herstellung, Verbesserung, Erweiterung des Gegenstands einschließlich der Fertigungsgemeinkosten und aller Nebenkosten. Verwaltungsgemeinkosten und ein kalkulatorischer Gewinnzuschlag zählen dagegen nicht zu den Selbstkosten.[6] § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG hat nicht den Begriff des "Selbstkostenpreises" aus Art. 74 MwStSystRL[7] übernommen. Die Selbstkosten können u. U. auch auf andere Weise durch Schätzung ermittelt werden. So hat der BFH bei der Ermittlung der Selbstkosten des gewerblichen Betriebs einer Gemeinde, der Wasser an die Gemeinde geliefert hatte, den Ansatz des um den Gewinnaufschlag geminderten Tarifpreises für zulässig gehalten.[8]

 

Rz. 473a

Umstritten ist, ob echte Zuschüsse (z. B. Baukostenzuschüsse) von dritter Seite die Selbstkosten mindern können oder nicht. Diese Frage kann sich sowohl bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei einer unentgeltlichen Lieferung als auch bei der Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG ergeben. Würde der echte, nicht steuerbare Zuschuss zu einer Minderung der berücksichtigungsfähigen Selbstkosten führen, würde sich ein Vorteil für den Unternehmer ergeben, da dann gerade nicht die (vorsteuerabzugsberechtigenden) Kosten die Ausgangsbasis für die Besteuerungsgrundlage darstellen würden. Aus diesem Grunde erscheint es sachgerecht, die echten Zuschüsse nicht als Minderung der Selbstkosten zu berücksichtigen.

 

Rz. 473b

Grundsätzlich kann fraglich sein, ob ertragsteuerrechtlich geprägte Begriffe für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Bereich der USt heranzuziehen sind. Da weder der Begriff des "Selbstkostenpreises" noch der Begriff der "Selbstkosten" umsatzsteuerrechtlich eindeutig definiert ist, muss ...

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