Rz. 424

Der BFH[1] hatte sich im Zusammenhang mit der Vorsteuerabzugsberechtigung im Zusammenhang mit einem steuerfreien Anteilsverkauf auch zu der Frage geäußert, ob bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung oder Teilbetriebsveräußerung vorliegen kann. Eine solche nicht steuerbare Leistung konnte danach vorliegen, wenn alle Anteile an der Gesellschaft übertragen wurden, aber auch dann, wenn zwar nicht alle Anteile an einer Organgesellschaft veräußert wurden, aber zumindest die, die finanzielle Eingliederung ermöglichende, Mehrheitsbeteiligung übertragen wird und der Erwerber beabsichtigt, eine Organschaft zu begründen.

 

Rz. 425

Die Entscheidung des BFH basierte auf dem Urteil des EuGH[2], in dem festgestellt wurde, dass auch die Übertragung von 100 % der Anteile an einer Tochtergesellschaft unter Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie[3] fallen könnte. Ob in der Übertragung einer solchen Beteiligung ein Unternehmen oder ein gesondert geführter Betrieb zu sehen ist, muss danach von den nationalen Gerichten entschieden werden. Grundsätzlich könne aber die Veräußerung der Anteile an einer Gesellschaft der Übertragung des Gesellschaftsvermögens gleichgesetzt werden. Die zur früheren Anwendung des § 10 Abs. 3 UStG a. F. ergangene Rechtsprechung des BFH[4], nach der eine Anteilsübertragung keine Geschäftsveräußerung darstellte, war nach Auffassung des BFH aus diesen Gründen nicht auf § 1 Abs. 1a UStG zu übertragen.[5] Die Übertragung von 99 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft sah der BFH aber grundsätzlich nicht als Geschäftsveräußerung an – mit Ausnahme der in Rz. 424 dargestellten Übertragungen von Anteilen an einer Organgesellschaft. Die Finanzverwaltung[6] hatte daraufhin die bisherigen Verwaltungsanweisungen[7] vorübergehend angepasst.

 

Rz. 426

Nachdem sich der EuGH[8] erneut zu den Möglichkeiten der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung bei der Übertragung eines Gesellschaftsanteils (einschränkend) geäußert hatte, musste die Finanzverwaltung[9] erneut ihre Rechtsauffassung anpassen. Eine nicht steuerbare Übertragung kann danach nur dann vorliegen, wenn der Gesellschaftsanteil Teil einer eigenständigen Einheit ist, die eine selbstständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht und diese Tätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird. Eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten kann den Erwerber nicht in die Lage versetzen, eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen.[10]

Anders ist es aber nach der Rechtsprechung des EuGH, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung erworben worden ist, sofern die Eingriffe die Durchführung von Transaktionen einschließen, die der Mehrwertsteuer unterliegen. Der Gesellschaftsanteil muss Teil einer eigenständigen Einheit sein, die eine selbstständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, und diese Tätigkeit muss vom Erwerber fortgeführt werden.

 

Rz. 426a

In einer weiteren Entscheidung[11] hat der BFH darauf Bezug nehmend seine Rechtsgrundsätze im Wesentlichen bestätigt und festgestellt, dass die Inhaberschaft von Anteilen an einer GmbH – im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieser GmbH – für sich genommen nicht ausreicht, um eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit der Veräußerin fortführen zu können. Es kann aber anders sein, wenn eine bisherige Organträgerin die Anteile an einer Kapitalgesellschaft an eine neue Organträgerin überträgt. Soweit eine Organschaft vorliegt, besteht die Tätigkeit der Organträgerin nicht im Halten der Beteiligung, sondern in einer eigenunternehmerischen Tätigkeit (Ausgangsleistungen des Organkreises).

In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des BFH[12] zu beachten, dass in den Fällen, in denen die frühere Organträgerin ein ihr gehörendes Grundstück im Rahmen der Beendigung der Organschaft auf die frühere Organgesellschaft als Erwerberin überträgt, eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt, wenn die Erwerberin die unternehmerische Tätigkeit des Organkreises fortführt und das übertragene Grundstück ein Teilvermögen i. S. d. Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL ist. Unschädlich ist, dass die Organschaft einen oder mehrere Tage vor der Übertragung des Grundstücks geendet hat und daher die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit durch die Erwerberin vor der Übertragung des Grundstücks auf die Erwerberin erfolgt ist.

[1] BFH v. 27.1.2011, V R 38/09, BStBl II 2012, 68, BFH/NV 2011, 727; vgl. dazu auch Ismer/Endres, UR 2012, 897.
[2] EuGH v. 20.10.2009, C-29/08, AB SKF, BFH/NV 2009, 2099.
[6] BMF v. 3.1.2012, BStBl I 2012, 76. Für vor dem 31.3.2012 ausgeführte Umsätze wurde es jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen v...

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