Rz. 370

Der Steuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs wurde mWv 1.1.1993 durch das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz[1] in das UStG aufgenommen und ist seitdem nicht geändert worden. Über die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG wird systematisch geregelt, dass der über die weiteren Vorschriften des UStG definierte innergemeinschaftliche Erwerb auch der USt unterliegt. Eine inhaltliche Definition des innergemeinschaftlichen Erwerbs erfolgt in § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG nicht.

 

Rz. 371

Unionsrechtlich ist der Steuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL[2] geregelt. Während in Deutschland über § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG aber nur der Steueranspruch als solcher geregelt ist, ergeben sich aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL schon Einschränkungen bei der Anwendung der Regelung, die national dem § 1a UStG zugeordnet sind.

 

Rz. 372

Nachdem zum 1.1.1993 der Binnenmarkt in der Europäischen Union eingeführt wurde und mit dem Wegfall der Binnengrenzen keine Möglichkeit mehr vorhanden war, die grenzüberschreitenden Warenbewegungen dem Bestimmungslandprinzip durch die Erhebung einer Einfuhrumsatzsteuer zu unterwerfen, war diskutiert worden, im Binnenmarkt die Warenlieferungen dem Ursprungslandprinzip zu unterwerfen und die USt dort zu erheben, wo die Warenbewegung beginnt. Damit würde der liefernde Unternehmer in seinem Heimatstaat eine USt für die Lieferung abführen müssen, der Leistungsempfänger hätte in seinem Mitgliedstaat einen Vorsteuerabzugsanspruch. Nachdem diese grundsätzlichen Überlegungen an praktischen Erwägungen gescheitert waren (keine grenzüberschreitende Kontrollmöglichkeiten, schwierige Verrechnung der unterschiedlichen Steueraufkommen), wurde beschlossen, im Rahmen einer "Übergangsregelung" vorerst auch bei Warenbewegungen innerhalb der Europäischen Union das Bestimmungslandprinzip beizubehalten. Als "Ersatztatbestand" für die mangels Grenzkontrollen nicht mehr erhebungsfähige Einfuhrumsatzsteuer wurde dann zumindest im kommerziellen Warenverkehr dieses Prinzip durch die Schaffung des neuen Steuertatbestands des innergemeinschaftlichen Erwerbs umgesetzt. Da die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs – bis auf den Sonderfall des Erwerbs eines neuen Fahrzeugs – immer einen umsatzsteuerrechtlich registrierten Unternehmer voraussetzt, konnte durch dieses Instrument nicht die Besteuerung der Lieferung an nicht registrierte Privatpersonen realisiert werden. Für diesen Fall wurde – ebenfalls im Rahmen der Übergangsregelung – versucht, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen den Ort der Lieferung für den liefernden Unternehmer in das Bestimmungsland zu verlegen (§ 3c UStG; Versandhandelsregelung bzw. seit 1.7.2021 innergemeinschaftliche Fernverkäufe).

 

Rz. 373

Die Vorschrift zur Erfassung des innergemeinschaftlichen Erwerbs als steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG kann nicht isoliert gesehen werden. Neben der direkten Verknüpfung zu den die Vorschrift ausgestaltenden Rechtsvorschriften des § 1a und § 1b UStG und der Vorschrift zur Bestimmung des Orts des innergemeinschaftlichen Erwerbs nach § 3d UStG, steht die Vorschrift in einer logischen Verknüpfung zu den Voraussetzungen zur Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung auf der Seite des Lieferers in dem anderen Mitgliedstaat, in Deutschland entsprechend in § 6a UStG geregelt. Zur Verhinderung eines unbesteuerten Letztverbrauchs muss systematisch sichergestellt sein, dass die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung auf der Seite des Lieferers zwingend beim Erwerber in dem anderen Mitgliedstaat zu einem steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb führt, insoweit sind die Vorschriften zur innergemeinschaftlichen Lieferung und die zur Steuerbarkeit des innergemeinschaftlichen Erwerbs systematisch aufeinander abgestimmt.

[1] Gesetz zur Anpassung des UStG und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt (Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz) v. 25.8.1992, BGBl I 1992, 1548.
[2] Entspricht früher Art. 28a der 6. EG-Richtlinie.

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