Rz. 306

Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Es liegt insoweit Gesamtrechtsnachfolge vor, der oder die Erben treten nach der Rechtsprechung des BFH sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein.[1] Ausgenommen davon sind lediglich die höchstpersönlichen Verhältnisse und unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpften Umstände. Ob und in welchem Umfang der Erbe in steuerrechtliche Positionen eintritt oder ob diese wegen ihres höchstpersönlichen Charakters und ihrer unlösbaren Verknüpfung mit der Person ihres Inhabers nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können, ist unter Heranziehung der für die betreffende Rechtsbeziehung einschlägigen materiell-rechtlichen Normen und Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes zu entscheiden.[2]

 

Rz. 307

Die Übertragung des Vermögens erfolgt weder im Rahmen eines entgeltlichen Leistungsaustauschprozesses noch durch eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG. Der Erbfall führt damit – unabhängig davon, ob es sich um gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge handelt – nicht zu einem steuerbaren Umsatz; auch die Rechtsfolgen einer Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG scheiden in Ermangelung eines rechtsgeschäftlichen Vorgangs aus.

 

Rz. 308

Mit dem Tod des Erblassers endet dessen Unternehmereigenschaft. Der Erbe oder die Erben müssen die Unternehmereigenschaft in eigener Person durch eigene Tätigkeit erlangen. Die Unternehmereigenschaft kann als solche nicht vererbt werden.[3] Regelmäßig werden die Erben das Unternehmen des Erblassers aber fortführen, sodass sie in eigener Person die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 UStG erfüllen werden. Wird das Unternehmen fortgeführt und erlangen die Gesamtrechtsnachfolger dadurch eigene Unternehmereigenschaft, setzen sie in eigener Person auch die Rechtsverhältnisse des Verstorbenen fort – insbesondere werden nicht die Vorsteuerberichtigungszeiträume beendet bzw. unterbrochen.[4]

 

Rz. 308a

Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben.[5] Die Erbengemeinschaft als solche erlangt danach Unternehmereigenschaft, soweit die unternehmerische Betätigung durch die Erbengemeinschaft fortgesetzt wird. Da die Erbengemeinschaft allerdings nach der Rechtsprechung des BGH[6] keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und deshalb nicht rechtsfähig ist, ergab sich die Frage, ob an dieser Sichtweise festgehalten werden konnte. Nachdem der BFH[7] die Unternehmereigenschaft einer (nicht rechtsfähigen) Bruchteilsgemeinschaft verneint hatte, da diese nicht Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, hätte dies analog auch für die nicht rechtsfähige Erbengemeinschaft gelten müssen. Es würden danach vielmehr zivil- und umsatzsteuerrechtlich anteilig erbrachte Leistungen durch die Gemeinschafter als jeweilige Unternehmer vorliegen. Da eine entsprechende Anwendung der vielleicht systematisch begründbaren Rechtsprechung des BFH in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten geführt hätte, hat der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2022[8] in § 2 Abs. 1 S. 1 UStG klarstellend mit aufgenommen, dass die (zivilrechtliche) Rechtsfähigkeit keine Voraussetzung für die Unternehmereigenschaft ist.

 

Rz. 309

Soweit der Erbe oder die Erben nicht durch eigene Tätigkeit die Unternehmereigenschaft erlangen (z. B. bei sofortiger Veräußerung des Unternehmens oder Entnahme des Unternehmensvermögens), war strittig, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Der BFH[9] hat dazu entschieden, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger sich bezüglich der noch nicht abgewickelten umsatzsteuerrechtlichen Rechtspositionen wie ein Unternehmer behandeln lassen muss. Hat der Erblasser einen Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet, entscheidet die Verwendung des Gegenstands durch den Erben über die umsatzsteuerrechtlichen Folgen der Verwendung des ererbten Unternehmensvermögens. Wäre eine Lieferung durch den Erblasser steuerbar[10], gilt das auch für eine Lieferung durch den Erben. Veräußert deshalb der Gesamtrechtsnachfolger im Rahmen der Liquidation des ererbten Unternehmensvermögens einen Unternehmensgegenstand, handelt er als Unternehmer und die Lieferung unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der USt. Da Deutschland von dem Wahlrecht des Art. 18 Buchst. c MwStSystRL[11] (bei der Aufgabe einer unternehmerischen Betätigung durch den Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger für die Gegenstände, für die der Vorsteuerabzug möglich gewesen war, eine Lieferung gegen Entgelt anzunehmen) keinen Gebrauch gemacht hat, richtet sich die Besteuerung nach Auffassung des BFH nach der allgemeinen für die Gesamtrechtsnachfolge im Steuerrecht maßgeblichen Vorschrift des § 45 AO.

 
Praxis-Beispiel

Veräußerung von Unternehmensvermögen nach Erbfall

Rechtsanwalt R war an einer Rechtsanwaltssozietät beteiligt und hatte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge