Rz. 32

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG stellt den Haupttatbestand des Umsatzsteuerrechts dar. Ein Umsatz unterliegt der USt, wenn die in der Norm aufgeführten 5 Tatbestandsvoraussetzungen alle gleichermaßen erfüllt sind. Fehlt es an einer Voraussetzung, kann der Umsatz nicht der deutschen USt unterliegen. Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG sind:

  • Es muss eine Lieferung oder eine sonstige Leistung
  • von einem Unternehmer
  • im Inland
  • gegen Entgelt
  • im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt werden.
 

Rz. 33

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Umsatz "steuerbar". Dabei wird der Begriff der "Steuerbarkeit" selbst in der Rechtsnorm des § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG nicht erwähnt – es wird lediglich festgestellt, dass der Vorgang unter den weiteren Voraussetzungen "der USt unterliegt". Lediglich in der Überschrift des § 1 UStG wird der Begriff "Steuerbare Umsätze" verwendet, sodass in der Praxis die unter § 1 Abs. 1 UStG fallenden Vorgänge als steuerbare Umsätze bezeichnet werden. Auch nimmt § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG den Begriff der Steuerbarkeit im Zusammenhang mit den aufgrund behördlicher oder gesetzlicher Anordnung ausgeführten Umsätzen mit auf.

 

Rz. 34

Soweit der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG Begriffe verwendet, die nicht aus der Norm als solcher zu bestimmen sind, erfolgt eine Definition in den weiteren Rechtsvorschriften, wobei ein inhaltlicher Verweis nicht erfolgt. So ist der Begriff des Unternehmers aus den Rechtsvorschriften des § 2ff. UStG heraus zu bestimmen, der Inlandsbegriff ergibt sich aus der Definition in § 1 Abs. 2 UStG. Ob der Ort der ausgeführten Lieferung oder sonstigen Leistung im Inland liegt, bestimmt sich nach den Regelungen zur Festlegung des Leistungsorts in §§ 3ff. UStG. Ergibt sich aus dem Gesetz keine detaillierte Definition, müssen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG unionsrechtlich ausgelegt werden.

 

Rz. 35

Nur die Leistung eines Unternehmers kann der USt unterliegen. Führt ein Nichtunternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung aus, ergibt sich kein steuerbarer Umsatz. In bestimmten Fällen (hier bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs in der Europäischen Union, das bei der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat gelangt) kann der nichtunternehmerische Lieferer aber für einzelne Umsätze wie ein Unternehmer behandelt werden – systematisch ist er dann aber für diesen Umsatz als "Unternehmer" anzusehen, sodass sich die Steuerbarkeit seines Umsatzes nach den allgemeinen Grundregelungen ergibt. Ob der Leistende die Unternehmereigenschaft inne hat oder nicht, bestimmt sich nach § 2 UStG. Wird ein Unternehmer tätig, muss er die Leistung auch im Rahmen seines Unternehmens ausführen, eine abschließende Definition dazu enthält das UStG nicht (Rz. 44).

 

Rz. 36

Der Unternehmer muss die Leistung auch gegen Entgelt ausführen. Dazu muss ein Leistungsaustausch zwischen dem leistenden Unternehmer und einem Leistungsempfänger vorliegen; der Leistende muss erkennbar um einer Gegenleistung willen seine Leistung ausführen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Gegenleistung in "Geld" besteht oder der Unternehmer (im Rahmen eines Tauschs oder eines tauschähnlichen Umsatzes) eine Lieferung oder eine sonstige Leistung als Gegenleistung erhält, die Gegenleistung muss lediglich in Geld bewertbar sein. Es muss sich dabei auch um eine wirtschaftliche Tätigkeit handeln, bei der der Leistende ein gewisses wirtschaftliches Risiko trägt.[1] Auch ist es ausreichend, dass der Unternehmer in Erwartung einer Gegenleistung tätig wird. Fällt die Gegenleistung geringer als erwartet aus oder entfällt sie vollständig, kann es sich trotzdem noch um einen steuerbaren Umsatz handeln – es kann dann eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gegeben sein. Gibt ein Unternehmer einen Gutschein in Umlauf, der dessen Besitzer berechtigt, eine Leistung des Unternehmers kostenlos in Anspruch zu nehmen, liegt i. d. R. kein entgeltlicher Leistungsaustausch vor.[2] Da die Voraussetzung des Leistungsaustauschs nicht weiter gesetzlich definiert ist, muss das Vorliegen unmittelbar aus der Norm heraus begründet werden. Insbesondere kann keine unmittelbare Bezugnahme auf § 10 UStG genommen werden, da in dieser Rechtsnorm nur eine Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Höhe nach vorgenommen wird. Da die Voraussetzung des Leistungsaustauschs nicht anderweitig definiert ist, ist die Abgrenzung, ob ein solcher Leistungsaustausch vorliegt oder nicht, eine der wesentlichen Rechtsfragen, die unmittelbar aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG abgeleitet werden muss. Zur Voraussetzung des Leistungsaustauschs vgl. Rz. 70.

[1] Vgl. dazu EuGH v. 13.6.2019, C-420/18, IO, BFH/NV 2019, 1053 zur Frage der unternehmerischen Betätigung eines Aufsichtsratsmitglieds. Nachfolgend auch BFH v. 27.11.2019, V R 23/19, BFH/NV 2020, 480.

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