Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Änderung einer Kindergeldfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei fehlerhafter Berücksichtigung von Zählkindern. Änderung einer Kindergeldfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Sind Kinder wegen Überschreitens der Einkommensgrenze nach § 32 Abs. 4 EStG oder wegen der fehlenden Anzeige der Anspruchsvoraussetzungen nach § 67 Abs. 2 EStG materiell nicht als Zählkinder zu berücksichtigen, kann die – den Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO begründende – formelle Änderung der ursprünglichen, „in sonstiger Weise” i.S.d. § 119 Abs. 2 Satz 1 AO bekannt gegebenen Kindergeldfestsetzung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 70 Abs. 2; AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2d; EStG § 32 Abs. 4, § 67 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2, § 119 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.12.2001; Aktenzeichen VI R 15/00)

 

Tatbestand

Streitg ist, ob die Beklagte zu Recht Kindergeld rückwirkend niedriger festgesetzt und bereits ausgezahltes Kindergeld zurückgefordert hat.

Der Kläger ist in zweiter Ehe verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die Kinder A, geb. 1984, und B, geb. 1987, für die dem Kläger Kindergeld zusteht.

Bei der Höhe des Kindergeldes wurden die Kinder des Klägers aus erster Ehe, C, geb. 1976, D, geb. 1977, und E, geb. 1978, als sogenannte Zählkinder i.S.v. § 66 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt, so daß für die Kinder aus zweiter Ehe ein höheres Kindergeld gezahlt wurde.

Für die Kinder aus erster Ehe bewilligte das Arbeitsamt (AA) seit dem 01. Januar 1996 Kindergeld nur noch für D, die sich in einer Berufsausbildung befand und für E, der noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte.

In seiner im Dezember 1995 bei der Beklagten eingereichten Erklärung zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld, Ortszuschlag u.a. (KOS-Erklärung) erklärte der Kläger, sein Sohn E befinde sich in Heimerziehung; ihm sei nicht bekannt, ob E zwischenzeitig eine Berufsausbildung begonnen habe. Am 01. Juli 1996 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Weiterzahlung des bisher befristet gewährten Kinderanteils im Ortszuschlag für D. In der als Anlage dazu beigefügten KOS-Erklärung gab der Kläger an, seine Tochter D befinde sich voraussichtlich bis zum 31. Juli 1998 in Berufsausbildung. Der Erklärung lag eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers von D sowie eine Kopie ihres Ausbildungsvertrages bei. Angaben zum Sohn E wurden darin nicht gemacht.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1996 bzw. 11. Juli 1996 teilte die Familienkasse des AA der Beklagten mit, D werde vorerst bis einschließlich Dezember 1996 und E vorerst bis einschließlich August 1998 bei der Kindergeldzahlung berücksichtigt.

Die Beklagte berücksichtigte daraufhin beim Kläger ab dem 01. Januar 1996 das Kind A als drittes und das Kind B als viertes Kind bei der Kindergeldberechnung. Entsprechend zahlte die Beklagte an den Kläger Kindergeld in Höhe von DM 300,– und DM 350,– monatlich.

Für die Monate August und September 1997 berücksichtigte die Beklagte nur noch E als Zählkind und gewährte für die Kinder des Klägers aus zweiter Ehe Kindergeld in Höhe von DM 220,– (für A) und DM 300,– (für B).

Im Rahmen der Prüfung des vom Kläger beanspruchten Kinderanteils im Ortszuschlag erkundigte sich die Beklagte mit Schreiben vom 02. Mai 1997 beim AA u.a., ob für die Kinder D und E seit 01. Januar 1996 Kindergeld gezahlt worden sei. Am 12. Mai bzw. 29. Mai 1997 teilte das AA der Beklagten mit, für E sei bis einschließlich April 1997 Kindergeld gezahlt worden; es werde geprüft, ob für die Zukunft noch ein Anspruch bestehe.

Erst mit Schreiben vom 08. August 1997 teilte das AA auf die Anfrage der Beklagten vom 02. Mai 1997 abschließend mit, daß für D wegen zu hoher eigener Einkünfte seit August 1995 und für E seit Mai 1997 deshalb kein Kindergeldanspruch mehr bestanden habe, weil für ihn keine weiteren Nachweise vorgelegt worden seien.

Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 06. Mai 1998 das Kindergeld für das Kind A für die Zeit

vom 01.01.1996 bis 31.12.1996 auf DM 200,– und

vom 01.01.1997 bis 30.09.1997 auf DM 220,– fest und

berücksichtigte das Kind B für den Zeitraum

01.01.1996 bis 30.04.1997 als drittes Kind mit DM 300,– und vom

01.05.1997 bis 30.09.1997 als zweites Kind mit DM 220,–.

Gleichzeitig forderte sie vom Kläger gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) Kindergeld in Höhe von DM 3.110,– zurück.

Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die Nichtberücksichtigung der Zählkinder habe sich die Rangfolge und die Höhe des Kindergeldes für die Kinder A und B geändert (§ 70 Abs. 2 EStG). Für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis 30. September 1997 habe der Kläger Kindergeld in Höhe von DM 3.110,– ohne Rechtsgrund erhalten.

Der Bescheid ist am 02. Juni 1998 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Hiergegen erhob der Kläger am 24. Juni 1998 Einspruch, in dem er geltend machte:

Er habe keine Kenntnis davon gehabt, daß für D kein Kindergeld mehr bezahlt wurde. Eine solche Kenntnis habe er sich auch nicht verschaffen könn...

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