rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

„Gefährdung des Steueranspruchs” als Grund für die Ablehnung eines Antrags einer GmbH & Co. KG auf Erteilung einer unbeschränken Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung der Freistellung von der Bauabzugsteuer ist wegen „Gefährdung des Steueranspruchs” (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG) abzulehnen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Befürchtung gerechtfertigt erscheint, dass die rechtzeitige und vollständige Erfüllung des durch das Abzugsverfahren gesicherten Steueranspruchs durch die Erteilung der Freistellungsbescheinigung gefährdet wird. Hat der Leistende steuerliche Pflichten in der Vergangenheit nachhaltig verletzt, so gibt dies Anlass zu der Prognose, dass auch künftige, zu sichernde Steueransprüche gefährdet erscheinen.

2. Eine Gefährdung des Steueranspruchs kann vorliegen, wenn z. B. nachhaltig oder wiederholt Steuerrückstände bestehen oder drei Monate vor Antragstellung bestanden haben oder unzutreffende Angaben in Steueranmeldungen bzw. Steuererklärungen festgestellt werden oder der Leistende diese wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig abgibt. Ggf. kann in diesen Fällen eine Freistellungsbescheinigung mit einer kurzen Geltungsdauer oder auftragsbezogen erteilt werden (vgl. Rechtsprechungsnachweise).

3. Bei einer GmbH & Co. KG kann eine Gefährdung des Steueranspruch ungeachtet dessen vorliegen, dass nur die Mitunternehmer – und nicht die KG selbst – Subjekt der Einkommensteuer bzw. Kör-perschaftsteuer sind.

4. Eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG kann in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger die Finanzbehörde nicht als Behörde anerkennt, sondern als „Unternehmen” bezeichnet, also die Existenz der Finanzbehörden als Hoheitsträger bestreitet, wegen Gefährung des Steueranspruchs grundsätzlich nicht gewährt werden.

5. Bei der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 EStG handelt es sich um einen Verwaltungsakt, dessen Erteilung in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage geltend zu machen ist. Die Erteilung oder Versagung einer Freistellungsbescheinigung ist keine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur im Rahmen des § 102 FGO überprüft werden könnte.

 

Normenkette

EStG § 48b Abs. 1 Sätze 1-2; AO §§ 138, 5, 7; FGO § 102; GG Art. 108 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen nach § 48b EStG.

Mit Schreiben vom 9. November 2020 teilte der Beklagte – wie schon zuvor in einem Schreiben vom 12. November 2019 (Dauerakte der Klägerin – Lasche § 48b) – mit, es komme nur eine projektbezogene Freistellungserklärung in Betracht, da für die Klägerin eine Vielzahl von Erklärungen ausstünden. Dies präzisierte der Beklagte mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 dahingehend, dass insbesondere die Jahressteuererklärungen für 2015, 2018 und 2019 nebst Gewinnermittlungen fehlten. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 erklärte die Klägerin, durch Verweigerung einer Freistellungsbescheinigung würden Aufträge mit einem Volumen von 1 Mio. Euro nicht erteilt werden. Sie werde aber – so ein Gesprächsvermerk vom 8. Dezember 2020 (Blatt 15 der Rechtsbehelfsakte Freistellungsbescheinigung) – keine Daten zu einem vorgesehenen Bauauftrag mitteilen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Januar 2021 (Blatt 21 Rechtsbehelfsakte Freistellungsbescheinigung) entschied der Beklagte, es komme nur eine auftragsbezogene Freistellungsbescheinigung in Betracht. Da jedoch die Klägerin hierfür Daten nicht mitgeteilt habe, könne eine Freistellungsbescheinigung nicht erteilt werden.

Mit dem Einspruch macht die Klägerin geltend, die Ablehnung einer Freistellungsbescheinigung könne nicht auf das Fehlen von Steuererklärungen gestützt werden. Die zu sichernden Steuern, die als Grundlage einer Ablehnung gelten könnten, seien nur die Einkommensteuer und die Kapitalertragsteuer. Beide Steuern seien aber von einer GmbH & Co KG nicht zu bezahlen. Wegen nicht erklärter Umsatzsteuer könne ein Steueranspruch nicht als gefährdet angesehen werden. Mit Schreiben vom 9. bis 19. März übersandte die Klägerin dem Beklagten Listen mit Adressen für die Ausstellung projektbezogener Freistellungsbescheinigungen. Es handelt sich um Anschriften hauptsächlich von Gemeinden im gesamten Bundesgebiet (Blatt 35 bis 84 Steuerakte; laut Einspruchsentscheidung handelte es sich um 1.410 mögliche Auftraggeber).

Während des Einspruchsverfahrens lehnte der Senat einen Antrag auf einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 26. Februar 2021 ab (3 V 137/21). Der Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. Januar 2021 blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 11. August 2021).

Hiergegen richtet sich die am 27. August 2021 erhobene Klage, die vom Prokuristen der Komplemenär GmbH unterzeichnet ist. Dieser ist für d...

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