Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerschuldnerschaft bei Bauleistungen an einen Bauträger im Rahmen einer Organschaft. Insolvenz des Leistenden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind die Beteiligten zunächst davon ausgegangen, der Bauträger schulde die Umsatzsteuer für an ihn erbrachte Bauleistungen, sind die Ansprüche des Leistenden gegen den Bauträger auf Nachzahlung der Umsatzsteuer auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden grundsätzlich abtretbar. Dass der Insolvenzverwalter die anderen Gläubiger dadurch benachteiligen würde, dass er den Anspruch an das Finanzamt abtritt, statt die Zahlungen zur Masse zu ziehen und im Rahmen der Schlussverteilung gleichmäßig auf alle Gläubiger zu verteilen, begründet kein Verfügungsverbot.

2. Ist Leistender eine Organgesellschaft, steht der Anspruch gegen den Bauträger auf Nachzahlung der Umsatzsteuer aufgrund der zivilrechtlichen Vereinbarungen und wegen der Anpassung im Rahmen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bezüglich der Regelung zur Umsatzsteuer nicht dem Organträger, sondern der Organgesellschaft zu.

 

Normenkette

UStG §§ 13b, 27 Abs. 19, § 2 Abs. 2 Nr. 2; AO §§ 164, 176; InsO § 80 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.07.2023; Aktenzeichen V R 5/21)

 

Tenor

1. Die Bescheide über Umsatzsteuer für 2011 und 2012, jeweils vom …, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … werden dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer für 2011 um EUR … und für 2012 um EUR … herabgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Umsatzsteuerschuldnerschaft bei Bauleistungen an einen Bauträger im Rahmen einer Organschaft.

Die Klägerin war Gesellschafterin und Geschäftsführerin der … GmbH (im Folgenden nur GmbH). Die GmbH war auf dem Gebiet der Bauleistungen unternehmerisch tätig. Die Klägerin bildete als Organträgerin mit der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft. Über das Vermögen der GmbH eröffnete das Amtsgericht … mit Beschluss vom …2013 das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwältin … als Insolvenzverwalterin.

Die GmbH erbrachte gegenüber der …AG, einer Bauträgerin (im Folgenden nur Bauträgerin), in den Jahren 2011 und 2012 Bauleistungen ohne gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG, da die Vertragspartner von der Umsatzsteuerschuldnerschaft der Bauträgerin ausgingen. Die Klägerin reichte für 2011 am … und für 2012 am … die Umsatzsteuerjahreserklärungen beim Beklagten ein.

Die Bauträgerin beantragte aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10) im Jahr 2015 die Erstattung der von ihr entrichteten Umsatzsteuer. Infolgedessen setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin gemäß § 164 Abs. 2 AO als Organträgerin mit Bescheiden vom … die Umsatzsteuer für 2011 um EUR … und für 2012 um EUR … höher fest und änderte die Bescheide erneut am … wegen hier nicht streitiger Gründe. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Am … trat die Klägerin den ihr wegen der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber der GmbH zustehenden Erstattungsanspruch an den Beklagten ab und meldete die Forderungen zur Tabelle an. Der Beklagte nahm die Abtretung nicht an. Die Insolvenzverwalterin übersandte der Bauträgerin keine geänderten Rechnungen und forderte auch die entsprechenden Beträge nicht ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom … wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie die höhere Umsatzsteuer nicht schulde, weil das Urteil des Bundesfinanzhofes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der GmbH ergangen sei. Die Klägerin habe als Organträgerin die Rechnungen der GmbH nicht ändern können, dies habe nur die Insolvenzverwalterin tun können. Sie selbst habe keinen abtretbaren Anspruch gegen die Bauträgerin auf Zahlung der Umsatzsteuer erlangt, sondern lediglich einen abtretbaren Anspruch an die GmbH auf Erstattung der Umsatzsteuer, den sie auch an den Beklagten abgetreten habe. Die Insolvenzverwalterin habe keine Abtretung erklären können, weil dies eine Benachteiligung der Gläubiger bedingt hätte. Da kein abtretbarer Anspruch vorgelegen hätte, habe der Beklagte keine Änderungsbefugnis gegenüber der Klägerin gehabt.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Umsatzsteuer für 2011 und 2012, jeweils vom …, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2011 um EUR … und für 2012 um EUR … herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Änderung der Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin möglich sei, weil die Rechnungen durch die Insolvenzverwalterin nicht berichtigt worden wären. Der abzutretende Anspruch gegen die Bauträgerin habe zwar der GmbH zugestanden, die Wirkungen könnten aber auc...

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