Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Bindung an tatsächliche Verständigung bei von Außenprüfung unzulänglich ermittelten, nicht verbuchten Ebay-Verkäufen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine tatsächliche Verständigung ist nicht bindend, wenn sie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Das kann nicht nur dann der Fall sein, wenn die Vereinbarung gegen die Regeln der Logik oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt.

2. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Hat die Außenprüfung nicht verbuchte Verkäufe über Ebay festgestellt, nach Einholung von Auskünften bei Ebay mit dem Steuerpflichtigen eine tatsächliche Verständigung zur Hinzuschätzung von Umsätzen getroffen und zuvor dem Steuerpflichtigen auf Rückfrage versichert, dass nur tatsächlich durchgeführte, nicht aber wieder stornierte, nicht durchgeführte Verkäufe Grundlage für die Hinzuschätzung gewesen seien, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob der Steuerpflichtige an diese tatsächliche Verständigung gebunden ist, wenn sich später herausstellt, dass es sich fast bei allen nicht in der Buchführung des Steuerpflichtigen erfassten Ebay-Verkäufen um Stornierungen handelt, und sich die Beteiligten also auf die Zuschätzung nicht vor dem Hintergrund bestehender Unsicherheiten über nicht, nur schwierig oder nur unter erheblichem und unangemessenem Aufwand aufklärbarer tatsächlicher Umstände, sondern auf der Grundlage unzulänglicher Ermittlungen der Außenprüfung festgelegt haben.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 76 Abs. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1-2, § 88 Abs. 1 S. 1, § 204

 

Tenor

Die Vollziehung der Änderungsbescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010 bis 2012, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 bis 2012, über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 bis 2012, über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2010 und zum 31.12.2011, jeweils vom 14.04.2016, wird bis einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung.

Der Antragssteller handelte mit Kfz-Tuningteilen im Wesentlichen über das Internet. Dabei nutzte er die Ebay-Accounts „motorteile-by-tuninggt”, „racing-motorbikes” und „tuning-gt” sowie seine eigene Homepage „www.P.com”. Gemäß einer insoweit unstreitigen tatsächlichen Verständigung befand sich seine Betriebsstätte in den Streitjahren im Amtsbezirk des Antragsgegners.

Bei einer Außenprüfung glich der Prüfer die Anzahl der monatlich verbuchten Ausgangsrechnungen mit den gemäß den fortlaufenden Ebay-Verkaufsprotokollnummern getätigten Verkäufen unter Hinzurechnung von monatlich 30 Verkäufen, weil der Antragsteller etwa in diesem Umfang außerhalb des Ebay-Payment-Gateways Rechnungen gestellt habe, ab und kam zu fehlenden Rechnungen von 18,89 % im Jahr 2010, von 18,15 % im Jahr 2011 und 20,38 % im Jahr 2012. Daraufhin glich der Prüfer für die Monate Januar und Februar die aufgrund eines Auskunftsersuchens von Ebay mitgeteilten Verkäufe betragsmäßig mit den verbuchten Rechnungen ab und ermittelte nicht verbuchte Einnahmen in Höhe von 17,54 %. Damit wurde der Antragsteller bei der Schlussbesprechung am 18.02.2016 konfrontiert. Im Ergebnis wurde eine tatsächliche Verständigung getroffen, der zufolge u.a. Einigkeit über die Höhe der Zuschätzung von jeweils 15 % der Betriebseinnahmen für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 besteht. Diese wurde nach Anfechtung durch den Antragsteller eines anderen vorliegend nicht mehr streitigen Punktes ohne Veränderung der vereinbarten Zuschätzung unter dem 23.02.2016 neugefasst. Nachdem der Antragsteller die in der Schlussbesprechung vorgelegten Prüferlisten überprüft und zu dem Ergebnis gekommen war, dass die monierten fehlenden Rechnungen stornierte Verkäufe betroffen hätten, wandte sich der Steuerbevollmächtigte des Antragstellers bei einer Vorsprache im Finanzamt am 23.03.2016 gegen die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung hinsichtlich der Zuschätzung und focht diese insoweit an.

Gleichwohl erließ der Antragsgegner auf der Grundlage der tatsächlichen Verständigung unter dem 14.04.2016 die antragsgegenständlichen Änderungsbescheide, gegen die der Antragsteller unter Vorlage umfänglicher Unterlagen zum Nachweis der Stornierungen am 11.05.2016 Einspruch einlegte und Aussetzung der Vollziehung beantragte. Unter dem 26.05.2016 teilte der Antragsgegner mit, dass die Einsprüche unbegründet seien, weil nichts vorgetragen worden sei, was zur Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung führen würde. Mit Bescheid vom 27.05.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter Verweis auf das Schreiben vom 26.05.2016 ab.

Am 07.06.2016 hat der Antrag...

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