Leitsatz

Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i.S. des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 5 Satz 6 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, brachte im Jahr 2014 (Streitjahr) in die Beigeladene zu 2., eine GmbH & Co. KG, Wirtschaftsgüter zum Buchwert ein. Sie war an ihr zu 100 % beteiligt. Einzige Komplementärin der Beigeladenen zu 2. war die V-GmbH, wobei die Klägerin im Streitjahr den einzigen Geschäftsanteil an der V-GmbH hielt.

2015 veräußerte die Klägerin 51 % ihrer Anteile am Vermögen der Beigeladenen zu 2. vollentgeltlich an die Z-KG.

Das FA ließ zunächst die Buchwertfortführung zu und stellte das dem Organträger der Klägerin für das Streitjahr zuzurechnende Einkommen erklärungsgemäß fest.

Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2015 wurde für die Beigeladene zu 2. ein Veräußerungsgewinn festgestellt, der in voller Höhe der Klägerin zugerechnet wurde. Dieser Gewinn ergab sich ausschließlich aufgrund der Aufdeckung der in den eingebrachten Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass aufgrund der Veräußerung der Anteile an die Z-KG im Jahr 2015 ein Sperrfristverstoß i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG vorliege. Daher seien 51 % der eingebrachten Wirtschaftsgüter im Streitjahr rückwirkend mit dem Teilwert anzusetzen. Der im Jahr 2015 von der Beigeladenen zu 2. erklärte Veräußerungsgewinn sei entsprechend zu reduzieren und der Beteiligungswert an der Beigeladenen zu 2. entsprechend zu erhöhen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG (FG Münster, Urteil vom 24.6.2020, 13 K 3029/18 F, Haufe-Index 14099664, EFG 2020, 1503) gab der Klage nach Beiladungen statt. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG sei nicht anzuwenden, wenn eine Verlagerung von stillen Reserven auf ein KSt-Subjekt ausgeschlossen sei.

Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Die Klägerin als Organgesellschaft und Adressatin des Bescheids i.S.d. § 14 Abs. 5 KStG sei beschwert und klagebefugt. Die Einbringung habe gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 KStG zu Buchwerten erfolgen dürfen. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG hindere dies nicht. Die Veräußerung der Mitunternehmeranteile an der Beigeladenen zu 2. führe nicht zu einem rückwirkenden Teilwertansatz nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG. Ein rückwirkender Teilwertansatz wegen eines Sperrfristverstoßes sei ebenfalls nicht vorzunehmen, weil der in seinem Wortlaut zu weit geratene § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG im Streitfall teleologisch zu reduzieren sei. Die Norm wolle nur verhindern, dass stille Reserven ohne Teilwertrealisation unter Nutzung der Vorteile, die durch die Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren entstehen, auf Kapitalgesellschaften übergehen. Dies sei vorliegend nicht geschehen, weil die stillen Reserven bei der Veräußerung der Anteile aufgedeckt worden seien.

 

Hinweis

1. Der IV. Senat des BFH hatte durch Urteil vom 15.7.2021, IV R 36/18 (BFH/NV 2021, 2575, s. dazu Banniza, BFH/PR 2022, 29) entschieden, dass § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG in seinem Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren ist, wenn es bei einer Anteilsübertragung nicht zu einer Verlagerung der stillen Reserven in den eingebrachten Wirtschaftsgütern aus dem Einkommen- in das Körperschaftsteuerregime kommt.

2. Mit dem Besprechungsurteil hat der XI. Senat des BFH ebenfalls eine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG vorgenommen, wenn es durch eine die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist zu einer Aufdeckung der in den eingebrachten Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven kommt. Der teleologischen Reduktion steht nicht entgegen, dass dadurch anstelle der Klägerin die Beigeladene zu 2. die GewSt-Belastung der aufgedeckten stillen Reserven trägt. Mit § 7 Satz 2 GewStG habe der Gesetzgeber bei der GewSt eine eigene (verfassungsgemäße) Missbrauchsbekämpfungsvorschrift geschaffen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.8.2021 – XI R 43/20

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