Leitsatz

Die rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 und des StBereinG 1999 auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 ist nicht zu beanstanden, wenn die Bilanz für das Jahr 1996 erst im Jahre 1999 eingereicht und der Antrag auf Änderung dieser Bilanz im Jahre 2000 gestellt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der ESt-Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist.

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte aus seinem Unternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleichs ermittelt werden. Das Unternehmen wurde zum 30. September 1996 verkauft. In der ESt- Erklärung 1996 hat der Kläger einen Veräußerungsgewinn i.H.v. ca. 1,5 Mio. DM erklärt, der dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG unterliegen sollte. Für den Grund und Boden sowie für das Gebäude bildete der Kläger allerdings eine gewinnmindernde Rücklage gem. § 6b EStG. Das Finanzamt hat den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden ESt-Bescheid am 27. März 2000 erlassen und dabei bestimmt, dass gem. § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG der Veräußerungsgewinn nicht mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert werden könne, da auf die außerordentlichen Einkünfte § 6b EStG angewandt worden sei. Die Kläger legten dagegen Einspruch ein und beantragten die Zustimmung zur Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Veräußerungsgewinn sollte ohne Ansatz von Rücklagen gem. § 6b EStG ermittelt werden, um in den Genuss des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG zu gelangen. Zur Begründung wird vorgetragen, dass gem. § 164 Abs. 2 Satz 2 AO der Steuerpflichtige jederzeit die Aufhebung der Änderung der Steuerfestsetzung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheides beantragen könne. Deshalb sei der Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG hinfällig und als Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO zu verstehen. Das Finanzamt lehnte den Antrag des Klägers ab, da die nachträgliche Auflösung der in der Bilanz gebildeten Rücklage nur im Wege der Bilanzänderung möglich wäre. Bei dieser Rücklage handele es sich nicht um eine Bilanzposition, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und der Befolgung der Vorschriften des EStG widerspreche; daher komme eine Bilanzberichtigung i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in Betracht. Eine Änderung der Bilanz nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG sei ebenfalls nicht möglich, da keine Korrektur nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG vorliege. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO gestanden habe. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage.

 

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht den Veräußerungsgewinn nicht dem begünstigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG unterworfen. Gem. § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG wird die Tarifbegünstigung nicht gewährt, wenn der Steuerpflichtige für die Veräußerung ganz oder teilweise eine Rücklage gem. § 6b EStG gebildet hat. Dies ist hier der Fall. Der Kläger kann darüber hinaus die in der Schlussbilanz getroffene Wahl nicht nachträglich ändern. Dies folgt aus der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 und des Steuerbereinigungsgesetzes (StbereinG) 1999 vom 22. Dezember 1999. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht vor, weil der Ansatz in der Schlussbilanz weder gegen ein handelsrechtliches noch ein steuerrechtliches Bilanzierungsgebot verstoßen hat und damit zulässig gewesen ist. Die Voraussetzungen für eine Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG liegen ebenfalls nicht vor, weil die Bilanzänderung nicht in Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht.

Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger kann die Änderung des Wahlrechts auch nicht darauf gestützt werden, dass der ESt-Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, da der Grundsatz der umfassenden Änderbarkeit insoweit eingeschränkt ist, als die Antrags- und Wahlrechte durch ein anderes Gesetz überlagert werden. Im Streitfall durfte das Wahlrecht wegen der Unzulässigkeit der Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n. F. nicht geändert werden. Da dieses Gesetz der Vorschrift des § 164 AO vorgeht, ist die Vorschrift des § 164 AO im Streitfall nicht einschlägig.

Gem. § 115 Abs. 2 FGO hat der Senat die Revision zugelassen.

 

Hinweis

Das Urteil vermag nicht zu überraschen, da es exakt dem Gesetzeswortlaut entspricht. Auslöser der Klage war das Übersehen der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG seitens der Kläger. Dies führte zur Bildung einer § 6b-Rücklage, obwohl damit nicht nur der ermäßigte Steuersatz nicht zu erreichen war, sondern auch die Buchwerte zukünftiger Ersatzwirtschaftsgüter entsprechend niedriger anzusetzen gewesen wären bzw. die Rücklage gewinnerhöhend (u. U. mit Strafzuschlag) aufzulösen gewesen wäre. Der Fall zeigt, dass insbesondere bei aperiodischen Geschäftsvorfällen, wie z.B. einer Betriebsv...

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