Leitsatz

Erhält der Versicherungsvertreter vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags, so hat er für die Verpflichtung zukünftiger Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1 EStG , § 5 Abs. 1 EStG , § 249 Abs. 1 HGB

 

Sachverhalt

Der Kläger war als Versicherungsvertreter außer zur Vermittlung von Lebens- und Schadensversicherungen auch zur Betreuung und Erhaltung des Bestands verpflichtet. Er erhielt für die Vermittlung von Lebensversicherungen eine Provision in Höhe eines Prozentsatzes des ersten Jahresbeitrags. Eine Folgeprovision für die Betreuung der Verträge bekam er nicht.

In der Bilanz zum 31.12.1992 bildete der Kläger für bereits vermittelte Lebensversicherungsverträge eine Rückstellung für Verwaltungskosten, die er in den folgenden Jahren dem Zugang an Verträgen anpasste. Den künftigen Betreuungsaufwand schätzte er auf zwei Mitarbeiterstunden. Das FA erkannte die Rückstellung nicht an. Das FG wies die Klage ab (EFG 2004, 247).

 

Entscheidung

Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der Kläger hätte dem Grunde nach wegen Erfüllungsrückstands eine Rückstellung bilden müssen. Über die Höhe der Rückstellungen muss das FG im zweiten Rechtsgang entscheiden.

 

Hinweis

1. Für ungewisse Verbindlichkeiten sind nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB Rückstellungen zu bilden. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz zwar grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (BFH, Beschluss vom 23.6.1997, GrS 2/93, BStBl II 1997, 735).

2. Bei der im Besprechungsfall vorliegenden Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen und deren weiterer Betreuung gegen Zahlung einer einmaligen Provision handelt es sich um ein schwebendes Geschäft. Mit der Zahlung der Provision an den Versicherungsvertreter (Kläger) war das jeweilige Vermittlungsgeschäft nämlich noch nicht abgeschlossen. Vielmehr musste dieser mit der Betreuung und der weiteren Abwicklung der Verträge noch eine nicht unwesentliche weitere Leistung gegenüber dem Versicherungsunternehmen erbringen.

Mit dieser Leistung, die Teil der Gegenleistung für die bis zu den jeweiligen Bilanzstichtagen entstandenen Provisionsansprüchen ist, befand sich der Kläger in einem Erfüllungsrückstand. Mit dem Begriff des Erfüllungsrückstands knüpft der BFH zwar grundsätzlich an den schuldrechtlich gebotenen Zeitpunkt der Erfüllung an. Allerdings lässt er auch eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung zu.

Wann eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist, bestimmt sich nach Auffassung des BFH bei Dauerschuldverhältnissen nicht mehr entscheidend nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern nach dem wirtschaftlichen Gehalt der geschuldeten Leistung. Die Fälligkeit der vertraglich noch geschuldeten Leistung zum Bilanzstichtag setzt der Erfüllungsrückstand nicht voraus (BFH, Urteil vom 15.7.1998, I R 24/96, BStBl II 1998, 728).

Beachten Sie: Eine passive Abgrenzung der Provisionen kam hier deshalb nicht in Betracht, weil sich die weitere Betreuung und Bearbeitung der Lebensversicherungsverträge keinem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum zuordnen lässt. Es steht nämlich nicht fest, wann und wie lange eine solche Leistung notwendig wird. Voraussetzung für die Bildung eines Rechnungsbegrenzungspostens wäre aber, dass sich wenigstens rechnerisch ein Mindestzeitraum für die Dauerleistung bestimmen lässt (BFH, Urteil vom 9.12.1993, IV R 130/91, BStBl II 1995, 202).

Aus dem gleichen Grund hat der BFH für die Schadensbearbeitungskosten bei Transportversicherungen eine Rückstellung anerkannt, für die Vertragsbearbeitungskosten jedoch nicht. Letztere konnten dort passiv abgegrenzt werden, weil die Versicherungsverträge auf ein Jahr abgeschlossen waren (BFH, Urteil vom 14.10.1999, IV R 12/99, BStBl II 2000, 25).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.7.2004, XI R 63/03

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