Leitsatz

1. Wird ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus.

2. Ist nach § 17 Abs. 2, 3 GrEStG eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, ist der Erwerbsvorgang gegenüber dem dafür zuständigen Finanzamt anzuzeigen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3, § 16, § 17, § 18, § 19 GrEStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 8.7.2011 die ihm noch nicht gehörenden Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Der beurkundende Notar übersandte am 18.7.2011 Abschriften des Vertrags an die Finanzämter, die für die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte der der GmbH gehörenden, in zwei Bundesländern belegenen Grundstücke zuständig waren. Nachdem eines dieser Finanzämter das beklagte FA im September 2011 über den Vorgang unterrichtet hatte, kam dieses zu dem Ergebnis, der Kläger habe mit dem Anteilserwerb den Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt, und stellte für den Erwerb der Grundstücke aufgrund der Anteilsvereinigung vom 8.7.2011 die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 17 Abs. 3 GrEStG gesondert fest.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, einer der Anteilsveräußerer habe im November 2012 seinen Anteil i.H.v. 9 % an der GmbH zurückerworben. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, § 16 Abs. 2 GrEStG sei nach § 16 Abs. 5 GrEStG nicht anzuwenden, weil der Anteilserwerb nicht ordnungsgemäß angezeigt worden sei.

Das FG gab der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.5.2016, 12 K 15028/14, Haufe-Index 9735207, EFG 2016, 1903).

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Revision des FA die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Mit dem Erwerb der Anteile der anderen Gesellschafter durch den Vertrag vom 8.7.2011 habe der Kläger den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Die Besteuerungsgrundlagen seien nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gesondert festzustellen gewesen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Feststellung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG lägen zwar wegen der Rückübertragung des Anteils i.H.v. 9 % dem Grunde nach vor. Der Aufhebung stehe aber entgegen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden sei (§ 16 Abs. 5 GrEStG). Weder der Kläger noch der Notar hätten dem für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG zuständigen FA die Anteilsvereinigung rechtzeitig angezeigt. Die Belegenheitsfinanzämter seien dafür nicht zuständig gewesen.

 

Hinweis

1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.

2. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet.

3. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG. Es genügt dabei, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird.

4. Wird ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden (§§ 18, 19 GrEStG), schließt § 16 Abs. 5 GrEStG i .d. F. des Jahres 2011 den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus.

a) Die Anzeigepflichten sind innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu erfüllen (§ 18 Abs. 3, § 19 Abs. 3 GrEStG). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl den Steuerschuldner nach § 18 GrEStG als auch den Notar nach § 19 GrEStG trifft, reicht es für § 16 Abs. 5 GrEStG aus, wenn einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt. In bestimmten Ausnahmefällen sieht § 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (Art. 18 Nr. 1 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1679) nunmehr eine Fristverlängerung auf einen Monat vor.

b) Nach § 18 Abs. 5 GrEStG und § 19 Abs. 4 GrEStG sind die Anzeigen an das für die Besteuerung, in den Fällen des § 17 Abs. 2 un...

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