Leitsatz

1. Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs BGB a.F.; jetzt § 357b BGB) begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird.

2. Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.

3. Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 des Einkom-mensteuergesetzes steuerbar.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 3 EStG, § 346, § 348, § 357b BGB, § 38 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger (Eheleute) nahmen vor dem 12.6.2014 einen Bankkredit zur Finanzierung des Erwerbs einer selbstgenutzten Wohnung auf. Nach Widerruf ihrer Verpflichtungserklärungen lösten sie die Restvaluta ab und verlangten von der Bank Nutzungsersatz. Vor dem Landgericht kam es zu einem verfahrensbeendenden Vergleich, in dem sich die Bank zur Zahlung in bestimmter Höhe verpflichtete. Die Bank zahlte den vereinbarten Betrag unter Einbehalt und Abführung von KapESt, SolZ und KiSt an die Kläger aus. Das FA berücksichtigte den erhaltenen Nutzungsersatz je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin als Einkünfte aus KapVerm gemäß § 32d Abs. 1 EStG und zog nur den Sparer-Pauschbetrag ab. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 15.12.2020, 5 K 2552/19, HI14374706).

 

Entscheidung

Auf die Revision der Kläger hat der BFH das angefochtene FG-Urteil aufgehoben und der Klage insgesamt stattgegeben. Der von den Klägern im Zuge der Rückabwicklung des Darlehensvertrags vereinnahmte Nutzungsersatz ist nicht steuerbar.

 

Hinweis

1. Der Besprechungsfall betrifft unmittelbar nur Verbraucherdarlehensverträge, die bis zum 12.6.2014 abgeschlossen worden sind und bei denen der widerrufende Darlehensnehmer einen Anspruch auf Nutzungsersatz hinsichtlich der (rückblickend) ohne Rechtsgrund erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gegen den Darlehensgeber hat. Beim Widerruf von nach dem 12.6.2014 abgeschlossenen Darlehensverträgen besteht ein solcher Anspruch nach dem Gesetz nicht mehr.

2. Zivilrechtlich zerfällt das aufgrund des Darlehenswiderrufs (Widerruf der auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung) an die Stelle des Darlehens tretende Rückgewährschuldverhältnis in einzelne wechselseitige, aber nicht synallagmatisch verknüpfte Ansprüche auf Herausgabe der jeweils in Erfüllung des Darlehensvertrags empfangenen Leistungen. Obwohl die Herausgabeansprüche bei der Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags alle auf die Zahlung von Geld gerichtet sind, werden sie nicht automatisch miteinander saldiert. Das beruht darauf, dass die Rückabwicklungsregeln auch für Verträge gelten, in denen Sachleistungen zurückgewährt werden müssen.

a) Nach dem Widerruf eines Darlehensvertrags muss der ehemalige Darlehensnehmer die empfangene Valuta herausgeben, soweit er sie (unter Berücksichtigung von Tilgungsleistungen) noch hat und Wertersatz leisten für die Nutzung des ohne Rechtsgrund zur Verfügung gestellten Kapitals. Grund für den Widerruf ist häufig, dass der gesetzlich geschuldete Wertersatz niedriger ist als der vereinbarte Darlehenszins. Während der Niedrigzinsphase lockte außerdem die Umschuldung zu günstigeren Konditionen.

b) Der ehemalige Darlehensgeber muss die erhaltenen Zins- und Tilgungsleistungen herausgeben und – bei Altverträgen (s.o.) – zusätzlich die gezogenen Nutzungen aus den vom Darlehensnehmer bis dahin gezahlten Beträgen. Dass der Darlehensgeber aus den Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen gezogen hat, wird nach der Rechtsprechung des BGH vermutet. Der BGH hat die herauszugebenden Nutzungen typisierend mit D+2,5% festgelegt. Der BGH hat dazu auch ausgeführt, der ehemalige Darlehensnehmer werde im Hinblick auf die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (rückwirkend) so gestellt, als hätte er von Anfang an "eine verzinsliche Wertanlage" erworben oder als wäre ihm die Möglichkeit der Kapitalnutzung für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen entzogen gewesen.

3. Diese Formulierung des BGH mag dazu beigetragen haben, dass die Finanzverwaltung hinsichtlich des Nutzungsersatzes von steuerbaren und steuerpflichtigen Kapitaleinkünften ausging.

4. Der BFH ist dem nun entgegengetreten. Er verneint in Anlehnung an die Rechtsprechung des IX. Senats zur Rückabwicklung von Fondsbeteiligungen nach Widerruf des Anschaffungsgeschäfts (zitiert in Rz 22 des Urteils) einen steuerbaren Vorgang und begründet dies wie folgt:

a) Anders als im Zivilrecht und anders als vom BGH angenommen betrachtet der BFH die "Bestandteile" des Rückgewährschuldverhältnisses ausdrücklich nicht isoliert, sondern einheitlich. Er schaut deshalb nicht darauf, ob der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber in Gestalt der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (rückblickend un...

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