Risikomaße "übersetzen" Häufigkeitsverteilung in einfach interpretierbare Kennzahl

Sollen Entscheidungen unter Unsicherheit (Risiko) getroffen werden, müssen die Handlungsalternativen auch hinsichtlich ihres Risikogehalts verglichen werden. Risikomaße ermöglichen den Vergleich unterschiedlicher Risiken mit unterschiedlichen Charakteristika (Verteilungstypen, Verteilungsparametern).[1] Risikomaße drücken den Risikogehalt z. B. der Häufigkeitsverteilung von Szenarien aus der Risikoaggregation durch eine (positive) reelle Zahl aus, mit der man wieder leicht rechnen kann.

Das traditionelle Risikomaß der Kapitalmarkttheorie (CAPM, Markowitz-Portfolio) stellt die Varianz bzw. die Standardabweichung – als Wurzel der Varianz – dar. Die Standardabweichung berechnet sich mit dem Erwartungswert wie folgt:

Varianz und Standardabweichung sind Volatilitätsmaße, d. h., sie quantifizieren das Ausmaß der Schwankungen einer risikobehafteten Größe um die mittlere Entwicklung (Erwartungswert).

Varianz bzw. Standardabweichung sind relativ einfach zu berechnen und leicht verständlich. Allerdings berücksichtigen sie sowohl die negativen als auch die positiven Abweichungen vom erwarteten Wert. Investoren sind meistens aber eher an den negativen Abweichungen interessiert. Sog. Downside-Risikomaße beruhen dagegen auf der Idee, dass das (bewertungsrelevante) Risiko als mögliche negative Abweichung von einem erwarteten Wert angesehen wird, und berücksichtigen somit lediglich diese. Hierzu gehört beispielsweise der nachfolgend erläuterte Value at Risk.

Umfang an Verlusten, der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.

Der Value at Risk (VaR) als lageabhängiges Risikomaß berücksichtigt explizit die Konsequenzen einer besonders ungünstigen Entwicklung für das Unternehmen. Er ist definiert als Verlust- oder Schadenshöhe, die in einem bestimmten Zeitraum (Planperiode, z. B. ein Jahr) mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit p, z. B. aus vorgegebenem Zielrating, nicht unterschritten wird.[2] Formal gesehen ist ein Value at Risk somit das negative Quantil Q einer Verteilung:[3]

Das lageunabhängige Gegenstück zum Value at Risk ist der Deviation Value at Risk (DVaR oder auch relativer VaR), der sich als Value at Risk von ergibt.

Er zeigt den Umfang möglicher Planabweichungen und kann auch als Maß für Planungssicherheit aufgefasst werden.

Der Value at Risk – und der Eigenkapitalbedarf (EKB/RAC), der als VaR bezogen auf den Unternehmensgewinn aufgefasst werden kann[4] – ist ein Risikomaß, das nicht die gesamten Informationen der Wahrscheinlichkeitsdichte berücksichtigt. Welchen Verlauf die Risikoverteilung unterhalb des gesuchten Quantils () nimmt, also im Bereich der Extremwirkungen (Schäden), ist für den Value at Risk unerheblich. Damit werden aber Informationen vernachlässigt, die von erheblicher Bedeutung sein können.[5], [6] Dafür wurde der Conditional Value at Risk (CVaR) entwickelt. Er zeigt den Mittelwert aller Schäden, die überschreiten.

Abb. 3: Value at Risk, Deviation Value at Risk und Conditional Value at Risk Grafikbeschriftung ein<

[1] Vgl. Gleißner, 2006; Albrecht/Maurer, 2008.
[2] Mit der Wahrscheinlichkeit von α = 1 – p (dem sog. Konfidenzniveau) wird diese Schadens- bzw. Verlusthöhe somit nicht überschritten.
[3] Der risikobedingte Eigenkapitalbedarf (Risk Adjusted Capital – RAC) ist ein mit dem VaR verwandtes Risikomaß, das angibt, wie viel Eigenkapital zur Risikodeckung vorhanden sein muss. Im Gegensatz zum Value at Risk wird der Eigenkapitalbedarf aber auf 0 minimiert, kann also keine negativen Werte annehmen.
[4] Ergänzend ist anzumerken, dass der sog. Cashflow at Risk (CfaR) nichts anderes ist als das Risikomaß Value at Risk angewandt auf den Cashflow, analog gilt dies auch für den Earning at Risk.
[5] Vgl. z. B. Zeder, 2007.
[6] Der Value at Risk ist zudem kein subadditives und damit kein kohärentes Risikomaß. Es lassen sich damit Konstellationen konstruieren, in denen der Value at Risk einer aus 2 Einzelpositionen kombinierten Finanzposition höher ist als die Summe der Value at Risks der Einzelpositionen; vgl. Artzner/Delbaen/Eber/Heath, 1999. Dies widerspricht einer von dem Diversifikationsgedanken geprägten Intuition.

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