Value at Risk (VaR)

Der Value at Risk (VaR) als lageabhängiges Risikomaß berücksichtigt explizit die Konsequenzen einer besonders ungünstigen Entwicklung für das Unternehmen. Er ist definiert als Schadenshöhe, die in einem bestimmten Zeitraum ("Halteperiode", z. B. ein Jahr) mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit p (z. B. aus vorgegebenem Zielrating) nicht unterschritten wird.[1] Formal gesehen ist ein Value at Risk somit das negative Quantil einer Verteilung:[2]

Abb. 7: Value at Risk, Deviation Value at Risk und Conditional Value at Risk

Das lageunabhängige Gegenstück zum Value at Risk ist der Deviation Value at Risk (DVaR oder auch relativer VaR), der sich als Value at Risk von X – E(X) ergibt.

Eigenkapitalbedarf

Der Value at Risk – und der Eigenkapitalbedarf EKB, der als VaR bezogen auf den Unternehmensgewinn aufgefasst werden kann[3] – ist ein Risikomaß, das nicht die gesamten Informationen der Wahrscheinlichkeitsdichte berücksichtigt. Welchen Verlauf die Dichte unterhalb des gesuchten Quantils () nimmt, also im Bereich der Extremwirkungen (Schäden), ist für den Eigenkapitalbedarf unerheblich. Damit werden aber Informationen vernachlässigt, die von erheblicher Bedeutung sein können.[4], [5]

Shortfall-Risikomaße

Im Gegensatz dazu berücksichtigen die Shortfall-Risikomaße – und insbesondere die sog. Lower Partial Moments (LPMs) – gerade die oft zur Risikomessung interessanten Teile der Wahrscheinlichkeitsdichte von minus unendlich bis zu einer gegebenen Zielgröße (Schranke c). Das Risikoverständnis entspricht der Sichtweise eines Bewerters, der die Gefahr des Shortfalls, der Unterschreitung eines von ihm festgelegten Ziels (z. B. geforderte Mindestrendite), in den Vordergrund stellt. Allgemein berechnet sich ein LPM-Maß der Ordnung m durch

Spezialfälle

Üblicherweise werden in der Praxis drei Spezialfälle betrachtet, nämlich

  • die Shortfall-Wahrscheinlichkeit (Ausfallwahrscheinlichkeit), d. h. m = 0,
  • der Shortfall-Erwartungswert (m = 1) und
  • die Shortfall-Varianz (m = 2).

Die Ausfallwahrscheinlichkeit p (Probability of Default - PD), ein LPM-Maß der Ordnung 0, gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass eine Variable (wie beispielsweise das Eigenkapital) einen vorgegebenen Grenzwert (hier meist null) unterschreitet und charakterisiert damit ein Rating.[6]

Während unbedingte Risikomaße (wie der Shortfall-Erwartungswert oder die Shortfall-Wahrscheinlichkeit) die Wahrscheinlichkeit für die Unterschreitung der Schranke außer Acht lassen, fließt diese in die Berechnung der bedingten Shortfall-Risikomaße (wie beispielsweise das Conditional Value at Risk) mit ein. Der Conditional Value at Risk (CVaR)[7] entspricht dem Erwartungswert der Werte einer risikobehafteten Größe, die unterhalb des Value at Risk (VaR1-p) liegen.

Während der Value at Risk die Abweichung misst, die innerhalb einer bestimmten Planperiode mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird, gibt der Conditional Value at Risk an, welche Auswirkung bei Eintritt dieses Extremfalls, d. h. bei Überschreitung des Value at Risk, zu erwarten ist. Der Conditional Value at Risk berücksichtigt somit nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer "großen" Abweichung, sondern auch die Höhe der darüber hinausgehenden Abweichung.

Risikoumfang abhängig vom Rating

Insgesamt zeigt sich damit, dass eine Vielzahl von Risikomaßen abhängig ist von einer vorgegebenen Restriktion in Form einer (z. B. durch die Gläubiger) maximal akzeptierten Insolvenzwahrscheinlichkeit . Der Risikoumfang, ausgedrückt durch Risikomaße wie Value at Risk, Conditional Value at Risk, relativer Value at Risk (Deviation Value at Risk), ist damit abhängig vom vorgegebenen Rating, also einem speziellen LPM0-Risikomaß.

Risikomaße mit VaR und CVaR kann man ökonomisch einfach interpretieren als "risikobedingten Eigenkapitalbedarf".

[1] Mit Wahrscheinlichkeit α = 1 – p (dem sog. Konfidenzniveau) wird diese Schadenshöhe somit nicht überschritten.
[2] Der risikobedingte Eigenkapitalbedarf (Risk Adjusted Capital - RAC) ist ein mit dem VaR verwandtes Risikomaß, das angibt, wie viel Eigenkapital zur Risikodeckung vorhanden sein muss. Im Gegensatz zum Value at Risk wird der Eigenkapitalbedarf aber auf 0 minimiert, kann also keine negativen Werte annehmen.
[3] Ergänzend ist anzumerken, dass der sog. Cashflow at Risk (CfaR) nichts anderes ist als das Risikomaß Value at Risk angewandt auf den Cashflow, analog gilt dies auch für den Earning at Risk.
[4] Vgl. z. B. Zeder, 2007.
[5] Der Value-at-Risk ist zudem kein subadditives und damit kein kohärentes Risikomaß. Es lassen sich damit Konstellationen konstruieren, in denen der Value at Risk einer aus zwei Einzelpositionen kombinierten Finanzposition höher ist als die Summe der Value-at-Risks der Einzelpositionen (vgl. Artzner/Eber/Heath (1999)). Dies widerspricht einer von dem Diversifikationsgedanken geprägten Intuition.
[6] Vgl. Gleißner, 2011a.
[7] Ähnlich: Expected Shortfall.

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