Leitsatz

1. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG geht der Steuerbefreiung für Leistungen von Wohlfahrtsverbänden und deren Mitgliedern in § 4 Nr. 18 UStG als lex specialis vor.

2. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot kommt § 4 Nr. 18 UStG nur eine durch den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG begrenzte Wirkung zu.

3. Eine derartige durch den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG begrenzte Wirkung des § 4 Nr. 18 UStG kommt aber nur in Betracht, wenn die betreffenden Leistungen im Falle ihrer Ausführung durch privat-rechtliche Einrichtungen mit Gewinnstreben ihrer Art nach von § 4 Nr. 16 UStG umfasst werden könnten.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 16, § 4 Nr. 18 UStG, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist Mitglied in einem Verband der Wohlfahrtspflege. Gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung, der die Sicherstellung eines ärztlichen Notdienstes oblag, verpflichtete er sich zur Erbringung bestimmter Leistungen zur Durchführung des ärztlichen Notdienstes. Die vom Kläger eingerichtete Leitzentrale nahm Anrufe von Notfallpatienten entgegen und leitete diese an die jeweils diensthabenden Ärzte weiter. Im Bedarfsfall wurde mit vom Kläger eingesetzten Fahrern, bei denen es sich um ausgebildete Rettungshelfer unter Einsatz von Zivildienstleistenden handelte, und mit den hierfür bereitgestellten Fahrzeugen der jeweils diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes hatten die Fahrer diesen in die Patientenwohnung zu begleiten und ihm zu assistieren. Waren zur Versorgung der Patienten weitere Hilfsmittel (insbesondere Kranken- oder Rettungswagen) erforderlich, so konnten diese ebenfalls über die Leitzentrale angefordert werden. Die Leistungen des Klägers beschränkten sich dabei nicht auf die bloße Organisation und Durchführung der Beförderung der diensthabenden Ärzte zu den Notfallpatienten. Der Kläger trat mit seinen Hilfspersonen unmittelbar, im eigenen Namen und zusätzlich zu der jeweiligen Behandlungsleistung des diensthabenden Notarztes gegenüber den Patienten in Erscheinung. So waren für die Notfallpatienten die Mitarbeiter des Klägers durch Entgegennahme der Notfallanrufe erste Ansprechstation. Die Tätigkeit des Klägers stellte sich aus Sicht des Patienten als zusätzliche Leistung im Zusammenwirken mit der angefragten ärztlichen Behandlungsleistung dar. Die Mitarbeiter des Klägers hatten die Patientenanrufe in dringende und weniger dringende Fälle einzuteilen und die entsprechenden angemessenen Maßnahmen einzuleiten. Auch die sich an die Konsultation der Leitstelle anschließende notärztliche Behandlung stellte sich als arbeitsteiliges Handeln des Arztes und des Mitarbeiters des Klägers im Sinne einer qualitativ besseren Patientenversorgung dar. Das FA sah die Leistungen des Klägers als steuerpflichtig an. Demgegenüber bejahte das FG die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 UStG (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.2.2012, 5 K 3717/09 U, Haufe-Index 3304512, EFG 2012, 2070).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz und sah die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG als erfüllt an.

 

Hinweis

1. § 4 Nr. 18 UStG steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu anderen Steuerbefreiungen. So sind z.B. Pflegeleistungen grundsätzlich nur nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei. Dies gilt aber nicht für die Mitglieder von Wohlfahrtsverbänden, die ihre Leistungen im Pflegebereich unter den Bedingungen des § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei erbringen können.

Problematisch ist dies im Hinblick auf das Unionsrecht. So beruhen sowohl § 4 Nr. 16 UStG als auch § 4 Nr. 18 UStG auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL). Diese Bestimmung befreit die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen. Im Urteil Zimmermann (EuGH vom 15.11.2012, C-174/11, BFH/PR 2013, 157, Rdnr. 58) hat der EuGH hierzu entschieden, dass die nationale Regelung im Rahmen der Umsetzung der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie vorgesehenen Befreiung keine sachlich unterschiedliche Bedingungen für Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht einerseits und die unter § 4 Nr. 18 UStG fallenden juristischen Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht andererseits vorsehen darf.

Dies führt nach dem Besprechungsurteil dazu, dass § 4 Nr. 18 UStG nur noch subsidiär gegenüber anderen Steuerbefreiungen anzuwenden ist, die wie z.B. § 4 Nr. 16 UStG auf derselben unionsrechtlichen Rechtsgrundlage beruhen. Möglicherweise ist sogar von einer allgemeinen Subsidiarität auch gegenüber anderen gemeinwohlbezogenen Steuerbefreiungen auszugehen.

2. § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG setzt voraus, dass die Leistung dem begünstigten Personenkreis unmittelbar zugute...

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