Hat der bzw. die Verstorbene selbst bereits eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen, gilt wiederum die Besonderheit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 8 EStG.[1] Hat also der Verstorbene bereits eine Altersrente oder Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentversicherung bezogen, handelt es sich bei der Hinterbliebenenrente um eine Folgerente aus derselben Versicherung. Für die Folgerente, also die Hinterbliebenenrente, wird vom Finanzamt ein – günstigeres – fiktives Jahr des Rentenbeginns ermittelt, wenn die Rente des Verstorbenen nicht vor dem 1.1.2005 endete. Bei der Ermittlung des zu besteuernden Prozentsatzes ist das das Jahr zugrunde zu legen, das sich rechnerisch ergibt, wenn vom Jahr des Beginns der Witwenrente die Laufzeit der vorhergehenden Rente abgezogen wird, mindestens aber 50 %. Diese Regelung gilt sowohl für Witwen-/Witwerrenten als auch Waisenrenten.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1:
Besteuerung einer Altersrente nach Umwandlung in eine Witwenrente

A ging am 1.7.2004 in Rente. Seine Altersrente betrug im Jahr 2005 12.000 EUR. Er starb im Jahr 2023. Seine Ehefrau B erhält ab 1.7.2023 eine große Witwenrente von monatlich 770 EUR.

Obwohl die Witwenrente von Frau B 2023 beginnt, beträgt der Besteuerungsanteil für diese Rente nicht 82,5 %, sondern 50 %.[2] Frau B muss versteuern:

 

im Jahr 2023:

große Witwenrente: 6 × 770 EUR
4.620 EUR
Rentenfreibetrag: 50 % von 4.620 EUR = ./. 2.310 EUR
Werbungskosten-Pauschbetrag ./. 102 EUR
Sonstige Einkünfte 2.208 EUR
im Jahr 2024:  
große Witwenrente, Jahresrente: 12 × 770 EUR =
9.240 EUR
Rentenfreibetrag: 50 % von 9.240 EUR = ./. 4.620 EUR
Werbungskosten-Pauschbetrag ./. 102 EUR
Sonstige Einkünfte 4.518 EUR

Der Rentenfreibetrag für die gesamte restliche Laufzeit der Witwenrente von Frau B beträgt 4.620 EUR.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2:
Besteuerung einer Witwenrente unter Berücksichtigung des fiktiven Rentenbeginns

A ging am 1.9.2005 in Rente. Seine Altersrente betrug monatlich 1.000 EUR. Er starb im Februar 2023. Seine Ehefrau B erhält ab 1.3.2023 eine Witwenrente von monatlich 550 EUR. Die Rente erhöht sich ab 1.7.2024 auf angenommen 560 EUR.

Obwohl die Witwenrente von Frau B am 1.3.2023 begann, beträgt der Besteuerungsanteil für diese Rente nicht 82,5 %, weil die Laufzeit der Rente des Verstorbenen A (17 1/2 Jahre) von dem Jahr des Beginns der Witwenrente abgezogen werden muss: fiktiver Rentenbeginn ist somit der 1.9.2005. B "erbt" gewissermaßen den günstigeren Besteuerungsanteil ihres verstorbenen Ehemanns – sie muss versteuern:

 

im Jahr 2023:

Witwenrente: 10 × 550 EUR =
5.500 EUR

Rentenfreibetrag: 100 % ./. 50 % =

50 % von 5.500 EUR =
./. 2.750 EUR
Werbungskosten-Pauschbetrag ./. 102 EUR
Sonstige Einkünfte 2.648 EUR
   

im Jahr 2024:

6 × 550 EUR + 6 × 560 EUR =
6.660 EUR
Rentenfreibetrag: 50 % von 6.660 EUR = ./. 3.330 EUR
Werbungskosten-Pauschbetrag ./. 102 EUR
Sonstige Einkünfte 3.228 EUR

Der Rentenfreibetrag für die gesamte restliche Laufzeit der Witwenrente von B beträgt 3.330 EUR.

 
Hinweis

Daneben ausbezahlte gesetzliche Rente

Für eine evtl. daneben an B ausgezahlte gesetzliche Rente hat dies keine steuerliche Bedeutung. Würde B ab dem Jahr 2023 eine eigenständige Altersrente beziehen, wäre für diese Rente ein Besteuerungsanteil von 82,5 % maßgebend. Grund: Die Altersrente von B beruht auf einem anderen Rentenstammrecht, sodass es sich nicht um eine Folgerente aus einer anderen Versicherung handelt.

[1] BMF, Schreiben v. 19.8.2013, IV C 3 – S 2221/12/10010 :004 / IV C 5 – S 2345/08/0001, BStBl 2013 I S. 1087, Rz. 224.

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