Leitsatz

Der Vorsteuerabzug setzte nach der Rechtslage im Jahr 1999 eine Rechnung oder Gutschrift in Papierform voraus.

 

Normenkette

§ 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, Art. 22 Abs. 3 Buchst. a und Buchst. c 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)

 

Sachverhalt

Die nach ihrer Umsatztätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigte Klägerin nahm im Streitjahr 1999 den Vorsteuerabzug aus Abrechnungen in Anspruch, die im Wege des Electronic Data Interchange und damit ohne Papierform erstellt worden waren. Das FA beanstandete den Vorsteuerabzug, da im Streitjahr keine Rechnungen in Papierform vorlagen, Rechnungsberichtigungen für diese Lieferungen erst nach dem Streitjahr erstellt worden sind und diesen Berichtigungen keine Rückwirkung beizumessen sei. Nachdem der BFH das Urteil des FG im ersten Rechtsgang aufgehoben hatte, bejahte das FG im zweiten Rechtsgang den Vorsteuerabzug (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2017, 12 K 2690/16, Haufe-Index 12954991, EFG 2018, 1593).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf, da der Vorsteuerabzug mangels schriftlicher Rechnungsdokumente für das Streitjahr nicht in Anspruch genommenen werden könne. Liege somit keine im Streitjahr erteilte Rechnung vor, könne diese auch nicht mit Rückwirkung auf das Streitjahr berichtigt werden. Daher sei in einem nunmehr dritten Rechtsgang über die Hilfsanträge der Klägerin zu entscheiden.

 

Hinweis

1. Vor dem Inkrafttreten der Regelung zur Rechnungserteilung mit digitaler Signatur (qualifizierter elektronischer Signatur) ab 1.1.2002 (Art. 9 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 des StSenkG vom 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433) konnte der Unternehmer den Vorsteuerabzug nur aufgrund belegmäßiger Abrechnungspapiere im Sinne eines urkundenmäßigen Nachweises in Anspruch nehmen (BFH, Urteil vom 24.9.1987,  VR 50/85, Haufe-Index 61829, BStBl II 1988, 688, und BFH, Urteil vom 24.9.1987, V R 125/86, Haufe-Index 61860, BStBl II 1988, 694). Unionsrechtlich war dies unbedenklich, da die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 der 6. EG-RL a.F. berechtigt waren, die Kriterien festzulegen, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann.

2. Der BFH sieht hierin jedenfalls für die 1999 bestehende Rechtslage keinen Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung.

a) Der EuGH hat im Urteil Terra Baubedarf-Handel (EuGH, Urteil vom 29.4.2004, C-152/02, Haufe-Index 1148359, EU:C:2004:268) entschieden, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann.

b) Auch nach dem EuGH-Urteil Senatex (EuGH, Urteil vom 15.9.2016, C-518/14BFH/NV 2016, 1870, EU:C:2016:691) ist das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben, in dem die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und in dem der Steuerpflichtige die Rechnung besitzt.

Es besteht allerdings die Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung. Daher ist der Fall der fehlenden Rechnung vom Fall der Berichtigung einer zuvor fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen.

c) Nach dem EuGH-Urteil Barlis 06 (EuGH, Urteil vom 15.9.2016, C-516/14, BFH/NV 2016, 1870, EU:C:2016:690) sind die nationalen Steuerbehörden daran gehindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht die Voraussetzungen von Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie erfüllt, obwohl diese Behörden über alle notwendigen Informationen verfügen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen. Dies beschränkt sich auf den Fall der Ergänzung einer dem Grunde nach vorliegenden Rechnung.

d) Abweichendes ergibt sich nicht aus dem EuGH-UrteilVădan (EuGH, Urteil vom 21.11.2018, C-664/16, Haufe-Index 12411042, EU:C:2018:933).

aa) Danach kann ein Steuerpflichtiger, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein aufgrund einer Schätzung in einem vom nationalen Gericht angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen.

bb) Soweit der EuGH dies damit begründet hat, dass die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit verstößt, da dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde (EuGH, Urteil vom 21.11.2018, Vadan, a.a.O., Rz. 42), folgt hieraus aus Sicht des BFH nur, dass zunächst fehlerhaft erteilte Rechnungen mit Rückwirkung berichtigt (EuGH, Urteil vom 15.9.2016, Senatex, a.a.O.) oder unter Berücksichtigung weiterer Umstände ergänzt werden können (EuGH, Urteil ...

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