Der BGH hat im Urteil vom 5.3.2015[1] grundsätzlich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Verbindlichkeit nicht in der Überschuldungsbilanz auszuweisen ist. Die jeweilige Vereinbarung ist im Einzelfall zu prüfen.

Nach Ansicht des BGH entfällt eine Passivierung der Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz, wenn sich die Erklärung über den Rangrücktritt begrenzt auf den Zeitraum vor und nach der Eröffnung der Insolvenz erstreckt. Bei der Formulierung ist darauf zu achten, dass das Zahlungsverbot so ausgestaltet ist, dass die Forderung des Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus freiem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen der sämtlichen übrigen Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf.

 
Hinweis

Freies Vermögen

Unter freiem Vermögen ist das Vermögen zu verstehen, das zur Zahlung genutzt werden darf, ohne dass durch die Verwendung eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ausgelöst wird.

Zudem darf die Erklärung über den Rangrücktritt als Vertrag zugunsten der Gläubigergesamtheit (Vertrag zugunsten Dritter i. S. v. § 328 BGB) ab Eintritt der Insolvenzreife nicht ohne Zustimmung der übrigen Gläubiger durch eine Abrede von Gläubiger und Schuldner aufgehoben oder gar zum Nachteil der übrigen Gläubiger geändert werden.

 
Achtung

Ausgestaltung Rangrücktritt

Eine Verbindlichkeit ist also nur dann nicht in der Überschuldungsbilanz zu passivieren, sondern als Eigenkapital umzuqualifizieren, wenn sich aus der Auslegung der Rangrücktrittsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ergibt, dass

vor Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft

  • eine Zahlung auf die Verbindlichkeit nicht erfolgen darf, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder durch die Zahlung auf die Verbindlichkeit die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft droht und
  • eine Aufhebung der vorstehenden Vereinbarung und somit eine Zahlung auf die Verbindlichkeit als Vertrag zugunsten der Gläubigergesamtheit (Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 BGB) nur dann ohne deren Mitwirkung erlaubt ist, wenn eine Insolvenzreife der Gesellschaft nicht vorliegt oder die Insolvenzreife der Gesellschaft beseitigt worden ist und

nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft eine Zahlung auf die Verbindlichkeit auf die letzte Rangstelle im Rang des § 39 Abs. 2 InsO a. F. oder nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO auf den Rang nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO vereinbart ist.

Der BGH führt aus, dass eine Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz immer dann nicht anzusetzen sei, wenn eine Auszahlungssperre vor Insolvenzeröffnung und ein Rangrücktritt nach Insolvenzeröffnung erklärt wurden. Ein zeitlich beschränkter Rangrücktritt ist nicht ausreichend. Dies bedeutet, dass eine Vereinbarung, wonach ein Nachrang nur für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geltung entfalten soll, nicht ausreicht. Grund hierfür ist, dass der Gläubiger dauerhaft gehindert sein muss, seine Forderung geltend zu machen. Eine Überschuldung wäre zudem hierdurch nicht abgewendet.

 
Praxis-Tipp

Vereinbarung des Rangrücktritts

Im Rangrücktritt sollte ausdrücklich vereinbart werden, dass er auch im Insolvenzverfahren gelten soll. Noch besser wäre es, die Formulierung auf innerhalb und außerhalb des Insolvenzverfahrens auszuweiten.

Ein Rangrücktritt stellt einen dinglichen Schuldänderungsvertrag i. S. d. § 311 Abs. 1 BGB dar. Dies bedeutet, dass der Schuldner bei einem Leistungsverweigerungsrecht zwar die Leistung gegenüber dem Gläubiger verweigern kann; zahlt er jedoch, hat dies zur Folge, dass das Schuldverhältnis durch Erfüllung erlischt.[2] Nach Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2015 besteht jedoch ein Zahlungsverbot bis zur Überwindung der Krise. Würde der Schuldner dennoch leisten, wird dies nach Ansicht des BGH als Leistung auf eine "Nichtschuld" betrachtet.

 
Achtung

Rangrücktritt nach Ansicht des BGH (2015)

Bis zur Abwendung der Krise ist die Forderung nicht erfüllbar.

Werden Zahlungen trotz Insolvenzreife entgegen dem vereinbarten Rangrücktritt vorgenommen, sind diese ohne Rechtsgrund geleistet worden und daher nach den Grundsätzen einer ungerechtfertigten Bereicherung an die Gesellschaft zurückzugewähren. Im Falle einer sich anschließenden Insolvenz sind diese Zahlungen nach § 134 InsO als unentgeltliche Leistungen anfechtbar und gem. § 143 InsO ebenso zurückzugewähren.

Der Rangrücktritt stellt einen Vertrag zugunsten der gegenwärtigen und künftigen Gläubiger dar. Er kann nur mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben werden. Ohne Beteiligung aller anderen Gläubiger kann er nur bei Abwendung der Krise der Gesellschaft aufgehoben werden, d. h. wenn freies Vermögens existiert.

Anders als bei einer Patronatserklärung, welche u. U. kündbar ist[3], ist der Gläubiger durch den Rangrücktritt abhängig vom "Schicksal" der Gesellschaft.

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