Rz. 13

Laut Art. 26 Abs. 1 Richtlinie 2014/56/EU sind für Zwecke der Abschlussprüfung in den Mitgliedstaaten der EU internationale Prüfungsstandards anzuwenden. Dieser Ausdruck bezeichnet "[...] die International Standards on Auditing (ISA), den International Standard on Quality Control 1 und andere damit zusammenhängende Standards, die vom internationalen Wirtschaftsprüferverband (IFAC) über das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) herausgegeben wurden, soweit sie für die Abschlussprüfung relevant sind".[1]

Weiterhin wird durch Art. 9 EU-APrVO der Europäischen Kommission die Befugnis übertragen, für Unternehmen von öffentlichem Interesse die in Art. 26 Richtlinie 2014/56/EU "[...] genannten internationalen Prüfungsstandards in den Bereichen Prüfungsverfahren, Unabhängigkeit und interne Qualitätssicherungssysteme von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften zum Zwecke ihrer Anwendung innerhalb der Union anzunehmen [...]".

Auch § 317 Abs. 5 HGB weist den Abschlussprüfer an, die International Standards on Auditing (ISA)[2] bei der Prüfung des von Unternehmen im öffentlichen Interesse anzuwenden. Jedoch setzt Art. 26 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 26 Abs. 3 Richtlinie 2014/56/EU voraus, dass die Europäische Kommission die internationalen Prüfungsstandards im Rahmen eines sog. Komotologieverfahrens angenommen hat. Obwohl die Abschlussprüferrichtlinie bereits seit einigen Jahren vorliegt, sind bisher aber bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine ISA von der Europäischen Kommission übernommen worden. Somit liegt ein sog. Endorsement der ISA bisher noch nicht vor und wird auch in absehbarer Zeit nicht erwartet. Hieraus folgt, dass die ISA derzeit keine unmittelbare Rechtswirkung für die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse entfalten.[3]

 

Rz. 14

Allerdings hat das IDW als Vertreter des Berufsstands der deutschen Wirtschaftsprüfer zwischenzeitlich die deutschen Prüfungsstandards weitgehend an die ISA angepasst und sich darüber hinaus entschieden, keine Transformationen von ISA in deutsche Prüfungsstandards mehr vorzunehmen, sondern für alle Geschäftsjahre, die nach dem 15.12.2017 beginnen, künftig die ISA unmittelbar anzuwenden. Somit ergibt sich eine faktische Bindungswirkung des Abschlussprüfers an die ISA bei der Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses deutscher Unternehmen von öffentlichem Interesse.[4]

 

Rz. 15

Sofern die ISA künftig von der Europäischen Kommission angenommen werden und sich ihr Anwendungsbereich mit den deutschen Prüfungsstandards des IDW überschneidet, führt die gesetzliche Bindungswirkung von § 317 Abs. 5 HGB dazu, dass vorrangig die Regelungen der ISA zu beachten sind. Falls die Annahme einzelner internationaler Prüfungsstandards noch aussteht oder die ISA für bestimmte Bereiche der Abschlussprüfung aufgrund nationaler Besonderheiten keine Regelungen enthalten, sind weiterhin die deutschen Prüfungsstandards des IDW anzuwenden.[5]

 

Rz. 16

Jedoch wird es dem deutschen Gesetzgeber künftig möglich sein, Regelungen zur Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zu erlassen, wenn diese aus nationaler Sicht erforderlich sind und nicht von den ISA abgedeckt werden. So wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch § 317 Abs. 6 HGB ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die über die ISA hinausgehende Abschlussprüferanforderungen beinhaltet. Weiterhin ist die Nichtanwendung von Teilen der ISA möglich. Erst bei Annahme der internationalen Prüfungsstandards durch die Europäische Kommission kann mit dem Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung durch den deutschen Gesetzgeber gerechnet werden.[6]

[1] Art. 26 Abs. 2 Richtline 2014/56/EU der Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, in Amtsblatt der Europäischen Union v. 27.5.2014, L 158/196-L 158/226.
[2] Vgl. IDW, International Standards on Auditing (ISA), 2. Aufl. 2021/2011.
[3] Vgl. Bertram/Brinkmann, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 317 HGB Rz. 148 m. w. N.; Schüppen, Abschlussprüfung, 2. Aufl. 2022, § 317 HGB Rz. 41.
[4] Vgl. Bertram/Brinkmann, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 317 HGB Rz. 148.
[5] Vgl. Justhoven/Küster/Bernhardt, in Grottel u. a., Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 317 HGB Rz. 128.
[6] Vgl. Justhoven/Küster/Bernhardt, in Grottel u. a., Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 317 HGB Rz. 130.

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