Leitsatz

Der während eines gerichtlichen Verfahrens ergehende und zur Erledigung des Rechtsstreits führende Feststellungsänderungsbescheid ist als Grundlagenbescheid bei der Ermittlung eines Verlustrücktrags nach § 10d Satz 2 EStG bindend und begründet für die durch den Verlustrücktrag ausgelöste Erstattung von Einkommensteuer einen Anspruch auf Prozesszinsen gem. § 236 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 AO 1977.

 

Normenkette

§ 236 Abs. 2 AO , § 182 Abs. 1 AO , § 10d EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger waren an einer KG beteiligt. Das FA lehnte zunächst bei der Gewinnfeststellung für die KG die Anerkennung eines im Sonderbetriebsvermögen der Kläger angefallenen Verlusts für 1986 ab. Erst im Klageverfahren änderte das FA den Feststellungsbescheid und stellte einen Verlust aus Gewerbebetrieb fest. Der Rechtsstreit wurde daraufhin übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Nun erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1986 und setzte gleichzeitig für die Herabsetzung der Einkommensteuer 1986 Prozesszinsen fest.

Aufgrund des sich aus 1986 ergebenden Verlustrücktrags änderte das FA auch den Einkommensteuerbescheid 1984 zugunsten der Kläger. Deren Antrag, auch hinsichtlich der Steuererstattung 1984 Prozesszinsen festzusetzen, lehnte das FA ab. Das FG gab der Klage statt und erkannte den Klägern Prozesszinsen zu.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG. Prozesszinsen seien u.a. festzusetzen, wenn die Erledigung eines Rechtsstreits zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer führe.

Der Gewinnfeststellungsbescheid 1986 sei als Grundlagenbescheid nicht nur für die Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahrs bindend, sondern auch für die Jahre des Verlustabzugs nach § 10d EStG. Folgebescheid sei deshalb nicht nur der Einkommensteuerbescheid 1986, sondern auch der Einkommensteuerbescheid 1984.

 

Hinweis

1. Nach § 236 Abs. 1 AO ist – wenn aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt wird – der Erstattungsbetrag zu verzinsen. Dies gilt nach § 236 Abs. 2 Nr. 2a AO entsprechend, wenn ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat, zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer führt.

2. In dem vom FG zugelassenen Revisionsverfahren vertrat das FA die Auffassung, Änderungsbescheide nach § 10d EStG seien keine Folgebescheide i.S.v. § 182 Abs. 1 AO. Dem Feststellungsbescheid 1986 fehle es insoweit an der gesetzlichen Anordnung einer Bindungswirkung für das Jahr 1984; beide Bescheide stünden nicht in unmittelbarer Beziehung zueinander. Diese Sichtweise des Verhältnisses zwischen Grundlagen- und Folgebescheid greift indes zu kurz.

3. Nach der Rechtsprechung des BFH sind Folgebescheide solche Verwaltungsakte, die die Regelungen eines Grundlagenbescheids als bindend übernehmen (müssen). Ein Grundlagenbescheid in Form eines Bescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen entfaltet Bindungswirkung für Folgebescheide, soweit sein feststellender Inhalt reicht. § 182 Abs. 1 AO spricht hier von der Bedeutung der Feststellungen für Folgebescheide.

Ein Bescheid, der einheitlich und gesondert einen Verlust feststellt, ist also nicht nur für die Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahrs bindend, sondern – falls die negativen Einkünfte dieses Jahres nicht voll ausgeglichen werden können – auch für die Jahre des Verlustabzugs gem. § 10d EStG. Die über die Grenzen eines Veranlagungsjahrs hinausgehende bindende Wirkung eines Feststellungsbescheids ergibt sich insoweit aus der besonderen Funktion des § 10d EStG, einen die Abschnittsbesteuerung übergreifenden Verlustausgleich zu gewährleisten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.11.2000, XI R 31/00BFH, Urteil vom 16.11.2001, XI R 31/00

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