Wie der englische Begriff bereits andeutet, bewegt sich Process Mining an der Schnittstelle zwischen dem klassischen Business Process Management, das auf die Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen abzielt, und Data Mining, das die Auswertung von Daten mithilfe mathematischer Operatoren zur Beantwortung bestimmter Fragestellungen ermöglicht.[1] Obwohl die Anfänge des Process Mining bereits in den 1990er Jahren liegen – und es seitdem auch für die Analyse von Prozessabläufen genutzt wurde – hat die Methode in den Unternehmen vor allem in jüngerer Vergangenheit an Bedeutung gewonnen. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • In den vergangenen Jahren sind Softwarelösungen auf dem Markt erschienen, die es ermöglichen, große Datenmengen in kurzer Zeit zu analysieren (Big Data) und die zudem einfach zu bedienen und zu konfigurieren sind.
  • Unternehmen beschäftigen sich zunehmend mit der digitalen Transformation ihrer Prozesse und hier spielt Process Mining für sie eine zentrale Rolle.
  • Außerdem sind die Einsatzmöglichkeiten für Process Mining sehr vielfältig, wie im Folgenden noch dargelegt wird.

Wie funktioniert Process Mining?

Mithilfe spezieller Softwarelösungen werden digitale Spuren analysiert, die bei der Durchführung von Geschäftsprozessen von unterstützenden IT-Systemen erzeugt und in Datenbanken gespeichert werden. Diese Ablaufdiagramme repräsentieren die faktischen Ist-Prozesse eines Unternehmens und liefern so weitreichende Erkenntnisse, die denen mit konventionellen Methoden der Prozesserhebung (z. B. Process Mapping mit Experten) ermittelten Aussagen meist überlegen sind. Als technische Basis für diese Analysen dient das sog. "Activity Table", eine Datentabelle, die mindestens 3 Informationstypen beinhaltet:

  1. Bearbeitungs- bzw. Prozessschritte (activities), die in den IT-Systemen durchgeführt werden,
  2. Zeitstempel (time stamps) für jeden Bearbeitungsschritt sowie
  3. einen eindeutigen Kenner (case ID) für jeden Prozessdurchlauf.

Auf Grundlage dieser Daten werden dann automatisiert Prozessabläufe visualisiert und Kennzahlen ermittelt. Den großen Mehrwert für Unternehmen liefert die Methode jedoch durch die Auswertung zusätzlicher, prozessbezogener Daten (Metadaten). Dies ermöglicht es bspw. im Purchase-2-Pay-Prozess (P2P), Prozessdurchlaufzeiten bei Bestellvorgängen je Lieferant, Bestellartikel, Standorten oder anderen Kriterien zu analysieren.

Grundsätzlich werden in Theorie und Praxis 3 unterschiedliche Anwendungsszenarien für das Process Mining unterschieden:

  • Unter Process Discovery versteht man die Visualisierung von Prozessabläufen mit eindeutigem Prozessbeginn und -ende sowie der bei der Durchführung entstehenden Prozessvarianten. Diese Analyse kann durch einmalige Datenauswertung erfolgen und bietet die Möglichkeit, Ursachen für Prozesseffizienzen – wie z. B. lange Durchlaufzeiten, hohe Fehlerquoten oder geringe Automatisierungsraten – zu ermitteln und angemessene Optimierungsmaßnahmen abzuleiten.
  • Wird den faktischen Prozessabläufen ein Soll-Prozessmodell gegenübergestellt, werden im Conformance Check mithilfe der Process-Mining-Software unerwünschte Abweichungen in der Prozessbearbeitung ermittelt. Dies ist besonders hilfreich für die Analyse von Prozessschritten mit besonderen regulatorischen Anforderungen (z. B. "Vier-Augen-Prinzip") oder für die Auditierung ganzer End-to-End-Prozesse.
  • Sind Prozess- und Datenmodell definiert, kann Process Mining die kontinuierliche Überwachung und Verbesserung von Prozessen unterstützen (Process Enhancement). Moderne Softwarelösungen erlauben die Erstellung bzw. Anpassung maßgeschneiderter Reporting-Sichten zur Ermittlung der Prozessleistung, die Verantwortliche sogar in "real-time" einsehen können. Dies ermöglicht eine aktive Überwachung der Prozesse und die Bewertung von Effekten nach der Implementierung von Verbesserungsmaßnahmen.[2]
[1] Vgl. Van der Aalst, 2016, S. 30 f.
[2] Vgl. Van der Aalst, 2012, S. 174 f.

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