Zusammenfassung

  • Für Unternehmen hat die Bedeutung von Prozessen und Prozessmanagement stark zugenommen. Insbesondere die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung erfordern eine dauerhafte Prozessbetrachtung. Durch das Controlling müssen deshalb Prozessinformationen in die Unternehmensteuerung integriert werden.
  • Die bisherigen prozessfokussierten Controllinginstrumente wie bspw. Prozesskostenrechnung und Prozesskennzahlen werden durch Process Mining deutlich in den Möglichkeiten erweitert.
  • Process Mining ermöglicht unter Nutzung elektronisch verfügbarer Informationen datenbasierte Auswertungen, die sowohl für Einmal-Analysen als auch für die dauerhafte Anwendung genutzt werden können.
  • Für das Controlling sind mehrere Einsatzfelder möglich: Process Mining kann für Monitoring und Reporting genutzt werden, die Grundlage für Optimierungen wie bspw. Komplexitätsmanagement und Prozessbenchmarking darstellen und zur Unterstützung von Planung und Kostenrechnung dienen.

1 Prozesse als Kernerfolgsfaktor digitaler Unternehmen

Ein großes Ergebnispotenzial von Unternehmen liegt in deren Fähigkeit, Prozesse zu managen: "Processes are the route to results and so to success in the customer economy."[1] Die Fokussierung auf Prozesse hat eine lange Tradition, die ihren Ursprung in den Produktionsmanagement-Ansätzen von Frederick Taylor und Henry Ford hat. Seither sind verschiedene Ansätze entwickelt und in der Praxis implementiert worden. Diese umfassen u. a.

  • Ansätze des Qualitätsmanagements (wie European Foundation for Quality Management (EFQM) oder Total Quality Management (TQM)),
  • Geschäftsprozess-Reengineering,
  • Six Sigma,
  • Lean Management,
  • World-Class-Manufacturing (WCM) und auch
  • eine umfassende Betrachtung im Rahmen eines Prozessmanagements.

Zusätzlich bekam der Prozessfokus nicht zuletzt durch die Einführung von SAP-Systemen bzw. zuletzt durch den Umstieg auf S/4 HANA für nahezu alle Unternehmen eine große Relevanz: Mithilfe spezieller Softwareprodukte wie z. B. ARIS oder Signavio werden Unternehmensprozesse dokumentiert und auch als Referenzprozessmodelle für die Implementierung bzw. Anpassung der ERP-Systeme genutzt.

Im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung gewinnt der Prozessfokus weiter an Bedeutung. Als Einstieg werden oftmals Robotic-Process-Automation-Ansätze (RPA) angewendet, um einzelne Prozesse bzw. Tätigkeiten zu automatisieren. Aber auch komplette Kundenprozesse, sog. End-to-End-Prozesse, werden heute in einigen Branchen bereits vollständig automatisiert abgewickelt. Ferner wird der Prozessfokus als eine der Grundvoraussetzungen für die Realisierung der Industrie 4.0 angesehen.[2]

[1] Hammer, 2001, S. 57.
[2] Vgl. Xu et al., 2018, S. 2951.

2 Prozessfokus als Controllingaufgabe

In vielen modernen Controllinginstrumenten – wie z. B. Target Costing, Balanced Scorecard und vor allem der Prozesskostenrechnung – ist die Prozessbetrachtung ein wesentlicher Bestandteil. Trotz dieser hohen Bedeutung spielt der Prozessfokus für die Controllingtätigkeit in vielen Unternehmen bislang eine eher untergeordnete Rolle. Schwerpunkt ist insbesondere die finanzorientierte Planung und Steuerung, die sich v.a. auf Organisationseinheiten (Geschäftsbereiche, Kostenstellen) oder Vertriebsstrukturen (Produkt, Produktgruppe, Kunde, Kundengruppe) beziehen. Für eine Beschäftigung mit den Geschäftsprozessen, die horizontal zu den Organisationseinheiten verlaufen, bleibt oft wenig Raum.[1] Auch die Anwendung der Methoden mit Prozessfokus ist vielfach nicht zufriedenstellend, wenn bspw. die Bereitstellung konkreter Werte für Prozesskennzahlen im Rahmen der Anwendung der Balanced Scorecard eine Herausforderung darstellt. Die Prozesskostenrechnung wiederum wird nur selten als Instrument zur Unterstützung der Prozesssteuerung genutzt, z. B. als Informationsquelle für Prozessverantwortliche, sondern vorrangig als Hilfsmittel zur Verbesserung von Kalkulationen und internen Kostenverrechnungen positioniert. In der Regel werden hierzu bislang statische Prozesskostenmodelle aufgebaut, die einen hohen Aufwand für Aufbau und Pflege aufweisen und somit meist kaum unterjährig Anwendung in Unternehmen finden.

Für das Controlling als Gestalter und Betreiber des Planungs- und Reportingsystems ist es jedoch eine wichtige Aufgabe, prozessbezogene Informationen in das Steuerungssystem des Unternehmens zu integrieren.[2] Insbesondere für digitale Unternehmen ist dies ein wichtiger Erfolgsfaktor, um Digitalisierung und Automatisierung zu unterstützen. Entsprechend dieser Anforderungen muss der Prozessfokus des Controllings umfassender aufgesetzt werden. Benötigt werden die Prozessinformationen im Monitoring und Reporting, die Bereitstellung von Informationen für Optimierungsaktivitäten und schließlich die Abbildung der Prozesse in Planung und Kostenrechnung. Zudem wird Controlling als Sparringspartner der operativen Einheiten und Prozessverantwortlichen benötigt.

Während bislang für die Wahrnehmung dieser Aufgaben manuelle Tätigkeiten und Sonderanalysen notwendig waren, steht nun mit Process Mining eine Technologie zur Verfügung, welche die benötigten Informati...

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