Auch hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Zahlungsbemessungsfunktion, also der Dividenden des Einzelabschlusses, bieten sich mehrere Lösungen an.

  • Einerseits könnten unrealisierte Gewinne nach dem in § 268 Abs. 8 HGB enthaltenen System mit einer speziellen Ausschüttungssperre belegt werden.
  • Andererseits könnte die Bindung des Ausschüttungsvolumens an das bilanziell erwirtschaftete Ergebnis auch durch einen allgemeinen "solvency-Test" ersetzt werden. U. a. in vielen amerikanischen Bundesstaaten und in Neuseeland hat man mit einer solchen Lösung positive Erfahrungen gesammelt. Der neuseeländische Companies Act 1993 sieht in Section 4 vor, dass Dividenden nur insoweit ausgeschüttet werden dürfen, als dadurch die Bedienung der Schulden nicht gefährdet und das Eigenkapital nicht negativ wird bzw. unter gesetzliche Mindestanforderungen fällt. Die §§ 30 ff. GmbHG enthalten in der Tendenz vergleichbare, in der Praxis nicht immer beachtete Regeln.
 

Beispiel

Die Down-Under-GmbH (Freiburg) hat in ihrem Gründungsjahr in 01 einen Überschuss von 100 erzielt. Am 10.7.02 wird die Ausschüttung beschlossen und durchgeführt. Im ersten Halbjahr 02 hat sich das Geschäft allerdings schlecht entwickelt. Interne Arbeitsbilanzen zum 30.5.02 und 30.6.02 zeigen nur noch ein Eigenkapital in Höhe des Stammkapitals.

Die Ausschüttung verstößt gegen § 30 Abs. 1 GmbHG. Danach darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht ausgezahlt werden. Die Ausschüttungen sind bei fehlendem guten Glauben der Gesellschafter in jedem Fall, ansonsten unter bestimmten Bedingungen zu erstatten. Da die Geschäftsführer nach der Sachlage schuldhaft gehandelt haben, haften sie einem gesamtschuldnerisch für andere Gesellschafter belangten Gesellschafter gegenüber (§ 31 GmbHG).

Seit dem MoMiG (2008) hat sich das deutsche GmbH-Recht dem Kapitalschutzkonzept der solvency-Lösung angenähert.

  • Die Mindestanforderung an das Stammkapital wurde von 25.000 EUR auf 1 EUR gesenkt. Dies geschah mit Blick auf den europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsformen, etwa die Konkurrenz zur englischen Limited, da diese Rechtsform nach der EuGH-Rechtsprechung auch einem inländischen Unternehmen ohne jeden Auslandsbezug nicht verwehrt werden kann.[1]
  • Nach vorheriger Rechtslage waren die Geschäftsführer einer GmbH der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenz geleistet werden (§ 64 Abs. 2 GmbHG). Durch eine Ergänzung des § 64 Abs. 2 GmbHG müssen sie seit dem MoMiG auch für Zahlungen an Gesellschafter haften, wenn durch diese Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt wird und dies erkennbar war. Dies ergänzt § 30 Abs. 1 GmbHG, indem nicht nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen mit einem Auszahlungsverbot belegt wird, sondern auch Zahlungen erfasst werden, die das Stammkapital nicht antasten, aber die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen. Die Gesetzesbegründung selbst weist auf die Parallelen zum solvency-Test hin.

Die steigende Bedeutung der Solvenzprognose erklärt sich gerade aus den herabgesetzten Anforderungen an das Stammkapital.

  • Je niedriger das Stammkapital, umso geringer die praktische Relevanz der Vorschriften zur Erhaltung dieses Kapitals.
  • Umso geringer damit auch die Bedeutung der Stichtagsbilanz, die Auskunft über die Höhe des Eigenkapitals gibt.
  • Gegenüber einer bilanzorientierten Prüfung des zulässigen Ausschüttungsvolumens muss dann eine zukunftsorientierte Prüfung an Relevanz gewinnen.
[1] Zu den maßgeblichen Urteilen Überseering und Inspire Art: Bayer, BB 2004, S. 1 ff.

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