Rz. 280

Das selbstständige Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Eingliederung setzt für das Vorliegen eines Organschaftsverhältnisses voraus, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse wirtschaftlich in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die Organgesellschaft muss im engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Organträger entsprechend dem Willen des herrschenden Unternehmens wirtschaftlich tätig sein und das Gesamtunternehmen fördern und ergänzen.[1]

 

Rz. 281

Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung ist nicht, dass die Organgesellschaft in der gleichen Branche wie der Organträger tätig ist. Es reicht aus, wenn die einzelnen Betriebe die Zwecke des Gesamtunternehmens fördern, wobei die gegenseitigen Verpflichtungen wirtschaftlicher und nicht nur kapitalistischer Art sein müssen.

 

Rz. 282

Im Umsatzsteuerrecht wird die Unselbstständigkeit der Organgesellschaft als wichtigstes Merkmal bei der wirtschaftlichen Eingliederung gesehen, während bei der gewerbesteuerlichen Organschaft bis Erhebungszeitraum 2001 und der körperschaftsteuerlichen Organschaft bis Veranlagungszeitraum 2000 für die wirtschaftliche Eingliederung zusätzlich verlangt wurde, dass der Organträger einen eigenen, nach außen in Erscheinung tretenden Gewerbebetrieb unterhält, der als Haupttätigkeit im Rahmen des Organkreises anzusehen ist.[2] Für die umsatzsteuerliche Organschaft reicht hingegen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Organträger und Organgesellschaft aus, sodass der Organträger nicht zwingend am Markt auftreten muss.[3]

 

Rz. 283

Umsatzsteuerrechtlich kann sogar bei einer Betriebsaufspaltung in eine Betriebskapitalgesellschaft und eine Besitzpersonengesellschaft eine Organschaft vorliegen, wenn sich die Tätigkeit der Besitzpersonengesellschaft allein auf die Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an die Betriebskapitalgesellschaft beschränkt. Im Umsatzsteuerrecht braucht der Organträger selbst keinen nach außen in Erscheinung tretenden Gewerbebetrieb zu unterhalten und kann auch erst durch das Organschaftsverhältnis zum Unternehmer werden, wenn er in die Verwaltung der Organgesellschaft mit entgeltlichen Leistungen eingreift.[4]

 

Rz. 284

Es ist immer wieder in der Praxis strittig, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft zu einer verwaltenden Holding (Finanzholding) möglich ist, da es an der Unternehmereigenschaft der Holding scheitern könnte, bzw. wie umfangreich eine unternehmerische entgeltliche Tätigkeit für einen Vorsteuerabzug gegeben sein muss. Das bloße Erwerben und Halten von Gesellschaftsanteilen wird von der nationalen Rechtsanwendung und auch von der EuGH-Rechtsprechung nicht als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG angesehen, sodass insoweit keine Unternehmereigenschaft vorliegt.[5] Auch eine Kapitalgesellschaft kann nach ständiger Rechtsprechung[6] eine nichtunternehmerische Sphäre haben, wenn die Tätigkeit der Gesellschaft nicht auf Leistungen gegen Entgelt gerichtet ist. Die Tochtergesellschaften einer Finanzholding, die sich auf das Halten und Verwalten von Beteiligungen beschränkt, können diese nicht wirtschaftlich fördern oder ergänzen, da eine Finanzholding nicht selbst wirtschaftlich tätig ist, sodass eine Organschaft nicht möglich wäre. Auch der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung[7] bestätigt, dass entsprechend der nationalen Auffassung eine reine Finanzholding nicht unternehmerisch tätig ist. Somit können Führungs-(Management-) und sonstige Leistungsholdinggesellschaften, die insbesondere zumindest auch entgeltliche konzerninterne Dienstleistungen erbringen, im Gegensatz zu reinen Finanz- und Beteiligungsholdinggesellschaften Organträger sein. Aufgrund des EuGH-Urteils vom 27.9.2001[8] reicht es nicht aus, dass eine Holdinggesellschaft keine entgeltliche Tätigkeit ausübt, auch wenn die übrigen Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt sind.

 

Rz. 285

Sofern zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden ist, könnte deshalb eine Zurechnung der Umsätze der Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft erfolgen und damit die Unternehmereigenschaft des Organträgers unter Umständen begründet werden.[9] Die Unternehmereigenschaft der Holding könnte aber eindeutig dadurch erreicht werden, dass die Holding entgeltliche Leistungen an ihre Tochtergesellschaften erbringt. In diesem Fall könnte eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einer Holding begründet werden, und die Holding wäre aufgrund ihrer Unternehmereigenschaft und der Erbringung von entgeltlichen Ausgangsleistungen – zumindest teilweise – vorsteuerabzugsberechtigt.[10]

[3] Vgl. Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl. 2019, S. 331 ff., Rz. 1251 ff.; inbesonder Rz. 1261 f.
[4] Vgl. Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. ...

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