Gem. § 3c UStG wird der Besteuerungsort für Versendungs- und Beförderungslieferungen an nichtsteuerpflichtige Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet ab Überschreitung einer bestimmten Lieferschwelle an den Ankunftsort der Waren verlagert. Der liefernde Unternehmer ist daher auch in diesem Fall Steuerschuldner im Land des Kunden. Mit der Zunahme des Online-Handels wurde die Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung der Verbrauchslandbesteuerung für die sog. Fernverkäufe immer schwieriger. Daher haben die Versender nunmehr einerseits bereits bei einer Überschreitung der Lieferschwelle von 10.000 EUR im Kalenderjahr ihre Umsätze im Ankunftsland zu versteuern, aber andererseits auch die Möglichkeit, die erforderlichen Umsatzsteuererklärungen in ihrem Ansässigkeitsstaat abzugeben und die ausländischen Umsatzsteuern im Rahmen des OSS-Verfahrens (sog. EU-Regelung) dort zu entrichten. Einbezogen werden auch die Lieferungen innerhalb eines EU-Mitgliedstaates über elektronische Schnittstellen (Online-Marktplätze) gem. § 3 Abs. 3a UStG, bei denen ein "Reihengeschäft" zwischen Online-Händler, Online-Marktplatz und Online-Käufer fingiert wird. Die OSS-EU-Regelung für Fernverkäufe und elektronische Schnittstellen können sowohl in der EU ansässige als auch nicht in der EU-ansässige Unternehmer nutzen.

 
Praxis-Beispiel

Chinesischer Online-Händler

Ein in China ansässiger Online-Händler versendet Waren aus einem Lager in Belgien an eine Privatperson in Deutschland. Der chinesische Händler hat sich in Belgien identifiziert und nimmt am OSS-Verfahren in Belgien teil. Die Umsätze an die deutschen Privatpersonen kann er gegenüber der zuständigen belgischen Finanzbehörde deklarieren und die betreffende (deutsche) Umsatzsteuer dort entrichten.

 
Praxis-Beispiel

Im Inland ansässiger Online-Händler

Ein im Inland ansässiger Online-Händler tätigt regelmäßig Fernverkaufslieferungen an in Frankreich, Italien und Spanien ansässige nichtsteuerpflichtige Abnehmer. Er nutzt das OSS-Verfahren beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und deklariert die in Frankreich, Italien und Spanien geschuldete Umsatzsteuer vierteljährlich auf elektronischem Weg.

 
Praxis-Beispiel

Lieferung über elektronischen Marktplatz

Ein in der Schweiz ansässiger Online-Händler veräußert über einen Online-Marktplatz Waren an in Frankreich ansässige Privatpersonen. Die Waren werden aus einem Lager in Deutschland an die Endkunden in Frankreich versendet. Der Online-Marktplatz hat die Lieferschwelle von 10.000 EUR überschritten. Gem. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG liegt ein Reihengeschäft (Schweizer Online-Händler – Online-Marktplatz – französische Endkunden) vor. Die Lieferungen des Online-Händlers an den Online-Marktplatz sind zwar gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar, aber nach § 4 Nr. 4c UStG steuerbefreit. Die Lieferungen des Online-Marktplatzes an die französischen Endkunden sind gem. § 3c Abs. 1 UStG in Frankreich steuerbar. Der Online-Marktplatz kann am OSS-Verfahren gem. § 18j teilnehmen, um seine Steuerschulden zu deklarieren und die Steuer zu entrichten.

 
Wichtig

Ansässigkeit im Drittlandsgebiet entscheidend

Bei der sog. allgemeinen Schnittstellenlieferung des § 3 Abs. 3a Sätze 1 und 3 UStG (Einbeziehung des elektronischen Marktplatzes in die Lieferkette Online-Händler – Endkunde) kommt es auf die Ansässigkeit des Lieferanten im Drittlandsgebiet und eine Warenbewegung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets an. Daher scheidet die Einbeziehung elektronischer Schnittstellen in die Lieferkette aus, wenn der Online-Händler im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist.

 
Praxis-Beispiel

In der EU ansässiger Online-Händler

Ein in Polen ansässiger Online-Händler veräußert über einen Online-Marktplatz Waren an in Frankreich ansässige Privatpersonen. Die Waren werden aus einem Lager in Deutschland an die Endkunden in Frankreich versendet. Der Online-Händler hat die Umsatzschwelle von 10.000 EUR überschritten bzw. verzichtet auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG und nimmt am besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG teil. In diesem Fall wird keine Lieferkette zwischen dem Online-Händler, dem Online-Marktplatz und dem Endkunden fingiert, da die Ware nicht aus dem Drittlandsgebiet eingeführt wird. Der polnische Online-Händler hat die von ihm geschuldete französische Umsatzsteuer (Lieferort ist gem. § 3c Abs. 1 UStG in Frankreich) über das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG zu erklären. Dagegen kommt es bei der sog. Einfuhrschnittstellenlieferung (Ware gelangt aus dem Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, § 3 Abs. 3a Sätze 2 – 6 UStG) auf die Wertgrenze von 150 EUR, aber nicht auf die Ansässigkeit des Lieferanten (Online-Händlers) an.

Zudem können sich auch alle in der EU ansässigen Unternehmer, die sonstige Leistungen an Nichtunternehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat erbringen, entscheiden, ob sie sich

  • in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren lassen und ihre Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren deklarieren oder
  • in ihrem...

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