Leitsatz (amtlich)

1. Geben Vorstand und Aufsichtsrat keine Entsprechenserklärung nach § 161 AktG (Deutscher Corporate Governance Kodex) ab, so stellt dies einen schwerwiegenden, die Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses der Hauptversammlung begründenden Gesetztes- und Satzungsverstoß dar (vgl. auch Entscheidung des OLG München vom 23.1.2008, Az: 7 U 3668/07).

2. Bei Ausschluss des Bezugsrechts im Fall von Wandel- und Optionsanleihen muss der Hauptversammlung ein Bericht über den Grund des Bezugsrechtsausschlusses vorgelegt werden. Dieser muss dem durchschnittlichen Aktionär hinreichend verständliche Ausführungen dazu enthalten, in welchen konkreten Fällen und mit welchen Modalitäten und Auswirkungen ein Ausschluss in Frage kommen soll. Entspricht der Bericht diesen Anforderungen nicht, liegt ein die Anfechtbarkeit des hierzu gefassten Hauptversammlungsbeschlusses begründender Mangel vor.

3. Ein Vorstandsbericht zu einem Beherrschungsvertrag genügt insbesondere im Hinblick auf die sich aus dem Gewinn- und Beherrschungsvertrag unmittelbar und mittelbar ergebenen Zahlungspflichten des herrschenden Unternehmens den Anforderungen des § 293a Abs. 1 AktG nicht, wenn er keine ausreichenden Angaben zur wirtschaftlichen Lage und Bonität des herrschenden Unternehmens enthält. Insbesondere ist die Vorlage eines in englischer Sprache abgefassten Jahresabschlusses nicht ausreichend.

4. Die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung über ein Delisting kann nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass den Aktionären bereits im Vorfeld der Entscheidung mitgeteilt hätte werden müssen, ob die Gesellschaft, die das mit dem Delisting verbundene Kaufangebot unterbreitet, wirtschaftlich zur Erfüllung in der Lage ist, da mit dem Delisting keine zwingende Entscheidung über die Veräußerung/den Verlust der Aktien der Minderheitsaktionäre verbunden ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 31.01.2008; Aktenzeichen 5 HKO 15082/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 31.1.2008 - 5 HK O 15082/07, abgeändert und erhält in Ziff. I folgende Fassung:

Die Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 17.7.2007 zu

1. TOP 2: Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2006

2. TOP 3: Einzelentlastung des Aufsichtsratsmitglieds H. P. für das Geschäftsjahr 2006

3. TOP 6: Beschlussfassung über die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen, zum Ausschluss des Bezugsrechts, zur Schaffung eines bedingten Kapitals und zur entsprechenden Satzungsänderung

4. TOP 7: Beschlussfassung zur Abstimmung zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit der E. G. B. V.

werden für nichtig erklärt.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen und wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte 71 % und die Kläger 29 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Beklagte 71 % und die Kläger und der Nebenintervenient 29 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von fünf Beschlüssen der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.7.2007.

Die Beklagte, eine börsennotierte Akteingesellschaft, deren Geschäftsfeld im Bereich der Biotechnologie liegt und deren Aktien u.a. am geregelten Markt der Wertpapierbörse in Frankfurt/M. gehandelt werden, veröffentlichte am 8.6.2007 im elektronischen Bundesanzeiger die Ladung zu ihrer Hauptversammlung am 17.7.2007.

In der Einladung zur Hauptversammlung wurden die Tagesordnungspunkte bekannt gemacht, zu denen u.a. die fünf im vorliegenden Verfahren angegriffenen Beschlüsse gefasst wurden. Hierbei handelt es sich um die "Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2006" (TOP 2), die "Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006" (TOP 3), die "Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen, zum Ausschluss des Bezugsrechts, zur Schaffung eines bedingten Kapitals und zu entsprechender Satzungsänderung" (TOP 6), die "Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit der E. G. B. V." (TOP 7) sowie die "Beschlussfassung über die Ermächtigung zum Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum geregelten Markt (General Standard) an der Frankfurter Wertpapierbörse (reguläres Delisting)" (TOP 8), vgl. Anlage K 4 des in erster Instanz hinzuverbundenen Verfahrens 5 HK O 15498/07.

Der Einladung zur Hauptversammlung war zu TOP 6 bezüglich der Ausgabe von Wandelschuld- und/oder Optionsschuldverschreibungen ein Bericht des Vorstands der Beklagten beigefügt. Dieser enthielt Angaben zum Bezugsrecht an der Wandlungs- und Optionsschuldverschreibungen der Aktionäre sowie zum Ausschluss des Bezugsrechts. Hinsic...

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