Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgschaft: Unwirksamkeit eines formularmäßigen Verzichts auf Einrede der Aufrechenbarkeit

 

Normenkette

BGB §§ 307, 770

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Entscheidung vom 02.03.2016; Aktenzeichen 5 O 219/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. März 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden - 5 O 219/14 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 236.105,27 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin verfolgt gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer Bürgschaft.

Die Fa. A mietete von der Klägerin mit Vertrag vom 16./27. September 2011 eine Teilfläche der Halle 5 auf dem Grundstück B-Straße in Stadt1. Nach § 4 des Vertrages betrug die Miete für die gesamte Mietzeit von fünf Jahren 410.000,- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer und war in Teilbeträgen jeweils zum 1. Januar eines Jahres zu zahlen. Nach § 4.4 des Vertrages hatte die Mieterin bis spätestens zum 1. Oktober 2011 eine Mietkaution entsprechend den Bestimmungen in § 17 zu übergeben. Vorgesehen war in § 17.1 eine Mietkaution in Höhe von 428.400,- EUR. In § 17.2 hieß es u.a., dass bei der durch die Bürgschaft einer großen deutschen Bank zu erbringbaren Mietkaution die Bürgschaft u.a. so zu gestalten sei, dass auf die Einreden der Anfechtbarkeit, Aufrechenbarkeit und Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB verzichtet werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Mietvertrages wird auf die Anlage K 2 (Bl. 7 ff. d.A,) Bezug genommen.

Die Beklagte übernahm unter dem 20. September 2011 eine Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 428.400,- EUR. (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.) Mit dem Nachtrag Nr. 1 vom 22. März 2012 (Bl. 6 d.A.) wurde die Bürgschaftserklärung dahingehend abgeändert, dass diese sich auf den Mietvertrag vom 16./27. September 2011 beziehe. Die Zahlungsweise des Mietzinses wurde mit dem Nachtrag Nr. 1 vom 12./19. September 2012 geändert. Insoweit wird auf Anlage K 3 (Bl. 27 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis gegenüber der Mieterin mit Schreiben vom 15. Januar 2014 fristlos und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 9. September 2014 (Anlage K 4, Bl. 31 f. d.A.) auf, im Hinblick auf Mietrückstände und einen Schadensersatzanspruch 312.194,27 EUR auf die Bürgschaft zu zahlen.

Mit Urteil vom 6. November 2014 verurteilte das Landgericht Stadt1 im Verfahren .../14 die Mieterin und Hauptschuldnerin zur Räumung und Herausgabe der Mietsache und wies die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 300.000,- EUR gerichtete Widerklage der Hauptschuldnerin ab. Für die Zeit vom Mai 2013 bis Dezember 2014 verurteilte das Landgericht Stadt mit Vorbehaltsurteil vom 11. Februar 2015 (Anlage K 7, Bl. 110 ff. d.A.) die Hauptschuldnerin zur Zahlung von 203.677,22 EUR als Miete bzw. Nutzungsentschädigung. Die in das Mietobjekt eingebrachten Gegenstände der Hauptschuldnerin sind im Auftrag der Klägerin zum Höchstgebot von 200.000,- EUR versteigert worden. (Versteigerungsprotokoll vom 15. September 2016, Bl. 389 d.A.). Zur Abrechnung und der Übersicht ihrer verbleibenden Forderungen verweist die Klägerin auf die mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2016 überreichte Forderungsaufstellung (Anlage BB2, Bl. 390 d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, der Geschäftsführer der Hauptschuldnerin habe im Rahmen der Verhandlungen über den Mietvertrag akzeptiert, dass die Klägerin eine Bürgschaft auf erstes Anfordern unter Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, Anfechtbarkeit und Vorausklage wünsche. Aus der Zeit von April 2013 bis Februar 2015 bestehe ein Mietrückstand in Höhe von 192.592,83 EUR. Die Mietsache sei am 28. September 2011 an die Hauptschuldnerin übergeben worden, die die Mietsache auch noch nach der fristlosen Kündigung weiter genutzt habe.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, auch Ansprüche aus § 546a BGB seien von der Bürgschaft erfasst. § 4 des Mietvertrages sei keine vorformulierte Klausel. Insbesondere sei § 4.4 als Individualvereinbarung auszulegen. Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Übersicherung seien nicht gerechtfertigt. Die Regelung in § 17.2 des Mietvertrages verstoße nicht gegen AGB-Recht, jedenfalls könne sich die Beklagte - da sie sonst treuwidrig handele - nicht darauf berufen. Im Übrigen könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sog. Blue-pencil-Test der unwirksame Teil herausgestrichen werden. Überdies sei die Regelung auch Gegenstand der Verhandlungen gewesen, sodass es sich um eine Individualvereinbarung handele.

Die Klägerin hat ursprünglich Klage im Urkundsprozess erhoben, in der mündlichen Verhandlung aber davon Abstand genommen.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 236.105,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus...

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