Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrkostenansprüche des Auftragnehmers aus Bauzeitverlängerung und Vertragsstrafen sowie Entschädigungsansprüche des Auftraggebers aus Überschreitung des Fertigstellungstermins eines Anlagenbauvertrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Darlegung einer Hinfälligkeit des Vertragsstrafenversprechens des Auftragnehmers aufgrund "umgeworfenen" Terminplans kann bei beiderseits selbständig verursachten Verzögerungen (Doppelkausalität) der Nachweis ausreichen, dass die von dem Auftraggeber zu vertretende Bauablaufstörung schon allein für sich genommen eine wesentliche Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins zur Folge gehabt hat.

2. Die Grundsätze der verjährungsrechtlichen Schadenseinheit finden auch auf Ansprüche des Auftraggebers auf Vertragsstrafe oder Entschädigung für Terminsverzug des Auftragnehmers Anwendung.

 

Normenkette

BGB §§ 195, 199, 313 Abs. 1; EnWG § 17 f.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.06.2020; Aktenzeichen 2-26 O 265/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2020 werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz haben die Parteien jeweils zu 50 % zu tragen. Die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten der Streithilfe werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Schuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Gläubigerseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz festgesetzt auf die Wertstufe bis 30,0 Mio Euro.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um wechselseitige Zahlungsansprüche aus der verzögerten Fertigstellung eines der Klägerin von der Beklagten beauftragten Netzanschlusssystems, das dem Anschluss eines Offshore-Windparks an das Stromnetz auf dem Festland dienen sollte.

Die Klägerin wurde mit Projektvertrag vom 31.07.2011 (K 1) von der dabei im eigenen Namen aufgrund Auftrags der zuständigen Übertragungsnetzbetreiberin X GmbH handelnden X1 GmbH gegen Zahlung einer Pauschalvergütung von 749 Mio Euro mit der Erstellung beauftragt. Diese hat sodann im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Abspaltung die Rechte und Pflichten aus dem streitgegenständlichen Projekt auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin übertragen.

Der Projektvertrag (K 1) enthält insbesondere die folgenden Regelungen:

Nach Ziffer 10.1 des Projektvertrags war das Netzanschlusssystem einschließlich Inbetriebsetzung und erfolgreichem Abschluss des Probebetriebs und der Abnahme durch die Beklagte bis zum 25.03.2015 fertigzustellen.

Gemäß Ziffer 7.1.1. sollte die Inbetriebsetzung am Ende der Installation des Netzanschlusssystems erfolgen und einen Test aller Teilsysteme ohne Hochspannung umfassen. Der Probebetrieb sollte gemäß Ziffer 7.2 dem Nachweis der Funktionsfähigkeit und der technischen Leistungsparameter dienen. Für den Fall, dass der störungsfreie Ablauf der Vorbereitung der Inbetriebsetzung oder des Probetriebs insbesondere deshalb von der Klägerin nicht nachgewiesen werden konnte, weil das Verbindungskabel zwischen der Seeplattform und dem Netzanschlusspunkt aus nicht von der Klägerin zu vertretenden Gründen nicht bei dem Offshore-Windpark angeschlossen worden war, sollte die Inbetriebsetzung gemäß den dazu in Ziffer 7.2.2.2 getroffenen Einzelregelungen im größtmöglichen Umfang durchgeführt und sodann gemäß den dazu in Ziffern 7.3.2.3 ff. nach Wegfall des Hinderungsgrunds getroffenen Einzelregelungen nachgeholt werden. Nach Ziffer 7.3.2.6 sollte dies eine angemessene Verschiebung des Fertigstellungstermins entsprechend den von der Klägerin nicht zu vertretenden Verzögerungen zur Folge haben. Die Abnahme sollte gemäß Ziffer 7.4 nach vollständiger Erfüllung der Leistungen, insbesondere erfolgreichem Abschluss des Probebetriebs, erfolgen.

Für den Fall der Nichteinhaltung des in Ziffer 10.1 genannten Fertigstellungstermins hatte die Klägerin gemäß Ziffer 12.1.1 für jeden Kalendertag der Überschreitung des Fertigstellungstermins eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,03 % pro Tag, maximal 10 % des Vertragspreises zu zahlen.

Gemäß Ziffer 12.1.3 hatte der Auftragnehmer des Vertrags dessen Auftraggeber "zusätzlich zu der nach Ziffer 12.1.1. verwirkten Vertragsstrafe" "zu entschädigen, soweit er nachweislich wegen schuldhafter Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins durch den Auftragnehmer unter den EnWG-Betreibern von Offshore-Windparks im relevanten Cluster für Verluste von Einspeisegebühren haftet", wobei diese Verpflichtung auf 0,07 % pro Tag der Überschreitung des Fertigstellungstermins, maximal 10 % des Preises begrenzt wurde.

Gemäß Ziffer 12.1.5 waren darüber hinausg...

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