Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für einen Freigabebeschluss nach § 319 Abs. 6 S. 2 AKtG.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Zulassung zur Hauptversammlung verweigert werden kann (hier: körperliche Durchsuchung und Taschenkontrolle).

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.10.2006; Aktenzeichen 3/5 O 91/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. vom 10.10.2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 125.000 EUR.

 

Gründe

Die Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13./14.12.2005 beschloss zu TOP 2 mehrheitlich die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung i.H.v. 80,37 EUR je Stückaktie.

Die Antragsgegner haben jeweils Anfechtungsklage u.a. gegen diesen Übertragungsbeschluss erhoben. Die Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 29) ist am Montag, den 16.1.2006 bei dem LG Darmstadt eingegangen und am 9.3.2006 der Antragstellerin zugestellt worden. Nach Verweisung durch das LG Darmstadt aufgrund der Konzentrationsverordnung vom 6.4.2006 sind die Anfechtungsklagen bei dem LG Frankfurt/M. im Verfahren 3-5 O 111/06 anhängig. Die Akten dieses Verfahrens sind beigezogen worden.

Die Antragstellerin - Beklagte des Hauptsacheverfahrens - betreibt vorliegendes Freigabeverfahren gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG mit dem Ziel, die Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister trotz der erhobenen Anfechtungsklagen zu erreichen.

Sie hat die Anfechtungsklagen für offensichtlich unbegründet gehalten und ein vorrangiges Vollzugsinteresse an der Eintragung wegen ihr anderenfalls bei Zuwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache entstehender erheblicher Nachteile geltend gemacht.

Die Antragsgegner haben Zurückweisung des Antrags begehrt.

Mit der angefochtenen Entscheidung (Blatt 353-372 der Akte), auf die auch zur Ergänzung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat das LG den Freigabeantrag zurückgewiesen. Es hat die Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 29) als nicht offensichtlich unbegründet angesehen, weil deren Vertreter A der Zutritt zur Hauptversammlung verweigert worden und dadurch

rechtswidrig das Teilnahmerecht der von ihm vertretenen Aktionärin verletzt worden sei. Außerdem fehle die offensichtliche Unbegründetheit der Anfechtungsklagen, weil die Vorzugsaktionäre an der Abstimmung über den angefochtenen Beschluss nicht beteiligt worden sind. Ein vorrangiges Vollzugsinteresse der Antragstellerin sei nicht anzunehmen.

Gegen diese ihr am 2.11.2006 (Blatt 387 der Akte) zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde vom 10.11.2006, eingegangen bei Gericht am 10.11.2006. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze vom 10.11.2006 (Blatt 453-496 der Akte) und vom 1.2.2007 (Blatt 855-878 der Akte) Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass die von den Beschwerdegegnern vor dem LG Darmstadt erhobenen und sodann unter dem führenden Aktenzeichen 3-05 O 111/06 vor dem LG Frankfurt/M. anhängig gewordenen Klagen (vormals LG Darmstadt Az. 14 O 25/06 u.a.) gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Beschwerdeführerin vom 13. und 14.12.2005 zu TOP 2, mit dem die Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre der B Aktiengesellschaft auf die C GmbH & Co... oHG (mittlerweile firmierend als D GmbH & Co... oHG) mit Sitz in O1 beschlossen hat, der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nicht entgegenstehen.

Die Antragsgegner zu 1) bis 20), 24) und 26) bis 34) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen - soweit sie eine Begründung für den Abweisungsantrag zur Akte gereicht haben - den angefochtenen Beschluss.

II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 5 AktG), form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1, 2 ZPO) und auch sonst zulässig.

Das Beschwerdegericht kann hier wegen Eilbedürftigkeit selbst in der Sache entscheiden. Der vorherigen Herbeiführung einer Abhilfeentscheidung des LG, wie sie § 572 Abs. 1 ZPO für die Fälle der sofortigen Beschwerde vorsieht, bedarf es nicht (OLG Frankfurt, - 12. ZS - OLG Frankfurt v. 8.2.2006 - 12 W 185/05, AG 2006, 249 = OLGReport Frankfurt 2006, 300 = ZIP 2006, 370; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 572 Rz. 3 m.w.N.). Die Durchführung des Abhilfeverfahrens ist weder für das Beschwerdeverfahren noch für die Beschwerdeentscheidung selbst eine Verfahrensvoraussetzung, zumal die Beschwerde - wie es hier der Fall ist - unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegt werden kann.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

Die Voraussetzungen des § 319 Abs. 6 S. 2 AktG für einen Freigabebeschluss liegen nicht vor.

Jedenfalls die Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 29) ist zulässig und nicht offensichtlich unbegründet. Es genügt im Freigabev...

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