Leitsatz (amtlich)

1. Ein Urteil, mit dem die kombinierten Anträge auf Anordnung des dinglichen Arrests sowie auf Arrestvollziehung durch Forderungspfändung (§ 930 Abs. 1 S. 3 ZPO) abgewiesen werden, kann mit der Berufung nur in Bezug auf die Ablehnung des Arrestbegehrens angefochten werden.

2. Die funktionelle Zuständigkeitskonzentration von Arrest- und Vollstreckungsgericht nach § 930 Abs. 1 S. 3 ZPO ist auf das Eingangsgericht beschränkt (entgegen OLG München MDR 2004, 1383).

3. Sobald der Arrestgegner am Verfahren beteiligt ist, gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Dementsprechend obliegt einem Arrestkläger die Glaubhaftmachung seines Sachvortrags nur insoweit, als der Arrestbeklagte das klägerische Vorbringen ordnungsgemäß bestritten und hierbei auch seiner sekundären Darlegungsobliegenheit genügt hat.

3.1 In einem nach Aufdeckung eines betrügerischen Anlagemodells geführten Arrestverfahren ist es daher Sache des unter dem Gesichtspunkt eines serienmäßigen (Kapital-)Anlagebetrugs belangten Arrestbeklagten, sich nicht nur zum Kernbereich der ihm angelasteten kriminellen Handlungen zu äußern, sondern sich gegebenenfalls auch substantiiert zu der Frage zu erklären, ab welchem Zeitpunkt er sein betrügerisches Anlagekonzept umgesetzt hat.

4. Für die Annahme eines Gesamtschadens i.S.v. § 92 InsO ist im Zusammenhang mit einer betrügerischen Schädigung von Anlegern, die sich an einer von den kriminellen Hintermännern planmäßig "ausgebeuteten" Anlagegesellschaft beteiligt haben, auch dann kein Raum, wenn sich die Tätergruppe - nicht ausschließbar - erst nach dem Abschluss des in Rede stehenden Beteiligungsvertrages zu einem betrügerischen Vorgehen entschlossen hatte.

5. Zum Anlagebetrug durch Unterlassen, soweit eine deliktische Einstandspflicht der Täterseite nur unter dem Gesichtspunkt einer Garantenstellung aus gefährdendem Vorverhalten (Ingerenz) in Betracht kommt.

6. Drohende Gläubigerkonkurrenz ist für sich allein auch bei der vorliegenden Konstellation eines Anlagebetrugs im großen Stil und einer Vielzahl geschädigter Anleger jedenfalls dann kein Arrestgrund, wenn die geschädigte Anlegerseite in genauer Kenntnis des extrem verschärften Gläubigerwettbewerbs auch nach Erhebung der Anklage gegen die späteren Arrestbeklagten noch mehrere Monate untätig zugewartet hat (Fortführung von BGHZ 131, 95 sowie Abgrenzung zu LG Bremen WM 1997, 2077, 2081 f.).

7. Zu den maßgebenden Abwägungskriterien in der Frage, welche Auswirkungen der (rechtskräftige) Abschluss des Strafverfahrens gegen die für ein betrügerisches Anlagemodell verantwortlichen Arrestbeklagten und die mit der Verkündung der Strafurteile angeordnete Verlängerung der strafprozessualen Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe um weitere drei Jahre (§ 111i Abs. 3 StPO) auf das Fortbestehen eines Arrestgrundes in Bezug auf den jeweiligen Arrestbeklagten haben (Fortführung von OLG Bamberg NStZ 2010, 348).

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; ZPO §§ 286, 916, 917 Abs. 1, § 930 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 17.07.2012; Aktenzeichen 94 O 1170/12)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Kläger gegen das Endurteil des LG Würzburg vom 17.7.2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass beide Rechtsmittel bezüglich der Pfändungsanträge jeweils als unzulässig verworfen werden.

II. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Klägerin zu 1) 21 % und der Kläger zu 2) die übrigen 79 %.

III. Berufungsstreitwert: 5.663,33 EUR, woran die Klägerin zu 1) mit 1.200,83 EUR und der Kläger zu 2) mit 4.462,50 EUR beteiligt sind.

 

Gründe

I. Die vorliegende Arrestsache ist Teil einer umfangreichen Serie gleichgelagerter Verfahren, in denen die ausnahmslos durch die auch hier eingeschaltete Anwaltskanzlei vertretene Anlegerseite - wie auch die Arrestkläger (im Folgenden nur: Kläger oder Klägerseite) dieses Rechtsstreits - zur Sicherung eines deliktischen Anspruchs gegen beide (Arrest-)Beklagte jeweils die Anordnung des dinglichen Arrests sowie eine in derselben Entscheidung ausgesprochene Pfändung anstreben. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Die klagenden Eheleute hatten sich jeweils allein - nämlich im Oktober 2002 zunächst der Kläger zu 2 (fortan auch nur: Kläger) und später im März 2009 auch die Klägerin zu 1 (zukünftig: Klägerin) - mit der Zeichnung sog. Genussrechte an einer in der Rechtsform einer AG geführten und von den Beklagten bzw. einem von ihnen gegründeten Anlagegesellschaft beteiligt, die inzwischen - ebenso wie die meisten übrigen Gesellschaften der Beklagten - in Insolvenz geraten ist. Beide Beteiligungen gehören zu einer Vielzahl gleichartiger Vorgänge, die Gegenstand des im Juli 2012 abgeschlossenen Strafverfahrens gegen beide Beklagte vor der Wirtschaftsstrafkammer des LG Würzburg waren. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 11.8.2011 hatte beiden Beklagten -neben mehreren Untreuehandlungen zum Nachteil der von ihnen als Initiatoren, Gründer und/oder (faktischer) Vorstand bzw. Geschäftsführer gesteuerten Ges...

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