Leitsatz

Ein Selbständiger hat regelmäßig nur eine Betriebsstätte.

 

Sachverhalt

Der Kläger war als Personalberater tätig. Hierfür hatte er eine Betriebsstätte in einer Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses, in dem er auch zusammen mit seiner Frau wohnte. Neben der Tätigkeit als Personalberater war der Kläger als Dozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen in 4 Städten tätig. Die Fahrten zu den Bildungseinrichtungen behandelte der Kläger als Betriebsausgaben, steuerfreie Reisekostenerstattungen erfasste der Kläger nicht. Als bei ihm eine Außenprüfung durchgeführt wurde, vertrat der Prüfer die Auffassung, die Fahrten zwischen der Wohnung und den Bildungseinrichtungen seien nicht abzugsfähig, da Fahrten zwischen der Wohnung und den regelmäßigen Betriebsstätten gegeben seien. Hiergegen wandte sich der Kläger erst im Einspruchsverfahren, anschließend wurde Klage vor dem Finanzgericht erhoben.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt, da hier keine Fahrten zwischen der Wohnung des Klägers und Betriebsstätten gegeben seien. Zwar sei der Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG weiter zu fassen als die Definition in § 12 AO, da hierunter jeder Ort falle, an dem berufliche oder gewerbliche Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH seien demnach die Bildungseinrichtungen als Betriebsstätten anzusehen. Diese Rechtsprechung sei aber nicht mehr aufrecht zu erhalten, da die neue Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung der Fahrtkosten von Arbeitnehmern auch eine Gleichbehandlung bei Selbständigen nahelege. Wenn ein Arbeitnehmer nunmehr nur noch eine regelmäßige Arbeitsstätte habe, sei es angezeigt, dass auch ein Selbständiger nur noch eine Betriebsstätte habe. Dies sei regelmäßig der Ort, an dem der Selbständige den ortsgebundenen Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit habe.

 

Hinweis

Das Urteil stellt eine konsequente Fortschreibung der Rechtsprechung des BFH zur Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte von Arbeitnehmern bei mehreren Tätigkeitsstätten dar.[1] Wenn ein Arbeitnehmer nur eine Tätigkeitsstätte hat, kann auch aus Gründen des Gleichheitsgebots ein Selbständiger nur eine Betriebsstätte haben. Ob diese Entscheidung vor dem BFH - zumindest mit dieser Begründung - standhalten wird, bleibt abzuwarten, denn es lassen sich auch gute Gründe finden, warum Arbeitnehmer und Selbständige nicht gleich behandelt werden müssen. Andererseits erscheint es auch wichtig zu erkennen, dass die Anwendung des FG-Urteils auf die Fahrten zwischen der Wohnung und der Betriebsstätte zu beschränken ist, denn für die Frage, ob ein Selbständiger mehrere Betriebsstätten i. S. des § 12 AO hat, gelten andere Kriterien.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen beim BFH: VIII R 47/11).

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.2011, 3 K 1849/09

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