Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt vor, wenn bei der Übertragung eines Grundstücks gleichzeitig ein Nießbrauchsrecht für den bisherigen Eigentümer an dem übertragenen Grundstück bestellt wird. Da bezüglich des Nutzungsrechts kein Übertragungsvorgang stattfindet, gibt es auch keinen "entgeltlichen" Vorbehaltsnießbrauch; der Vorbehalt des Nießbrauchs selbst ist keine Gegenleistung des Erwerbers, unabhängig davon, ob das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird. Welche steuerlichen Folgerungen aus der Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs zu ziehen sind, legt die Verwaltung im geltenden Nießbrauchserlass dar.

Einem Vorbehaltsnießbraucher ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gleichzustellen

  • ein Schenker, der mit seinen Mitteln einem zu Beschenkenden den Kauf eines von ihm, dem Schenker, im Voraus bestimmten Grundstücks ermöglicht und sich bei der Schenkung ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehält[2],
  • ein vorläufiger Erbe, der die Erbschaft mit der Maßgabe ausgeschlagen hat, dass ihm ein Nießbrauchsrecht an dem zum Nachlass gehörenden Gegenständen eingeräumt wird.[3]
 
Hinweis

Erbschaftsteuerliche Behandlung

Wird ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt, mindert der Wert des Nießbrauchsrechts die Bereicherung des Bedachten. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ist daher die aus einem Vorbehaltsnießbrauch erwachsende Belastung eines zugewendeten Grundstücks abzuziehen. Der Jahreswert des Nießbrauchrechts ist unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln, wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden.[4]

Wenn der Beschenkte die auf dem übertragenen Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten ausschließlich mit dinglicher Wirkung übernommen hat und der persönliche Schuldübergang auf den Beschenkten bis zum Erlöschen des Nießbrauchsrechts aufschiebend bedingt ist, dann ist der Jahreswert des Nießbrauchsrechts nicht um die vom Nießbraucher weiterhin persönlich getragenen Zinsleistungen und Tilgungsleistungen zu mindern (Abgrenzung zum Sachverhalt des BFH-Urteils v. 28.5.2019, II R 4/16, BStBl 2020 II S. 346, bei dem der Beschenkte die mit dem übertragenen Grundbesitz in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten auch persönlich übernommen, jedoch aufgrund der Regelungen des Nießbrauchs für dessen Dauer nicht zu bedienen hatte).[5]

[1] BMF, Schreiben v. 30.9.2013, IV C 1 – S 2253/07/10004, BStBl 2013 I S. 1184, Rz. 39 und 40.
[4] BFH, Urteil v. 28.5.2019, II R 4/16, BStBl 2020 II S. 346,

vgl. auch Hahn, Ermittlung des Jahreswerts von Nießbrauchsrechten – BFH äußert sich zur Berücksichtigung von Tilgungs- und Zinsleistungen, NWB 2020 S. 898.

[5] FG Münster, Urteil v. 27.8.2020, 3 K 722/16 Erb, EFG 2020 S. 1627; vgl. auch die Urteilsanmerkung der Vorsitzenden Richterin am FG Beidenhauser, EFG 2020 S. 1628, sowie Knittel, Berechnung des Nießbrauchsrechts bei Zins- und Tilgungsleistungen des Nießbrauchsberechtigten, ErbStB 2020 S. 344.

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