Entscheidungsstichwort (Thema)

Kaufpreisaufteilung bei der Veräußerung eines teilweise gewerblich genutzten Grundstücks - Abweichen von der im notariellen Grundstückskaufvertrag vorgenommenen Kaufpreisaufteilung - Zur Bekanntgabeheilung durch Übersendung einer Kopie oder eines Abdrucks

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kann der Zugang einer Einspruchsentscheidung beim vormaligen Empfangsbevollmächtigten der Kläger nicht festgestellt werden, tritt gleichwohl eine Bekanntgabeheilung in dem Zeitpunkt ein, in dem der neue Empfangsbevollmächtigte einen Mehrabdruck der Einspruchsentscheidung erhält. Dem steht nicht entgegen, dass der handelnde Finanzbeamte bei Übersendung einer Kopie oder des Abdrucks sich der Bekanntgabe- bzw. Heilungswirkung dieser Übersendung nicht im Klaren war, weil er von der Wirksamkeit der ursprünglich vorgesehenen Bekanntgabe ausging.

2. Einer in einem notariellen Grundstückskaufvertrag für ein EFH vorgenommenen Kaufpreisaufteilung auf zuvor von den Veräußerern teilweise gewerblich und teilweise privat genutzten Räumlichkeiten ist dann nicht zu folgen, wenn die Aufteilung willkürlich erscheint, allein an den steuerlichen Interessen der Veräußerer ausgerichtet ist und zu völlig sachwidrigen und unangemessenen steuerlichen Ergebnissen führt.

3. Erfolgt die ursprüngliche Zuordnung von Anschaffungs- (Grund und Boden) und Herstellungskosten (Gebäude) im Verhältnis der gewerblichen Nutzfläche zur Gesamtnutzfläche und nicht nach einer Verkehrsbewertung der unterschiedlich genutzten Gebäudeteile bzw. Wirtschaftsgüter, ist es nach Überzeugung des Senats einzig geboten, auch im Falle der Veräußerung die Kaufpreisaufteilung nach der jeweiligen Nutzfläche vorzunehmen, denn alles andere (Zuordnung der Anschaffungs-/Herstellungskosten nach Nutzflächen; Aufteilung des Veräußerungserlöses nach Wertverhältnissen) würde die tatsächliche Wertsteigerung während der Zeit der betrieblichen Nutzung, die der Besteuerung unterliegt, sachwidrig verzerren. Ein solches Ergebnis wäre unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2; EStG 2009 § 15 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 47 Abs. 1 S. 1; AO § 42; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig sind die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung und die Bindungswirkung einer vertraglich geregelten Kaufpreisaufteilung bei Veräußerung eines nur teilweise betrieblich genutzten Grundstücks.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie erwarben im Januar 2006 ein Grundstück in … für 82.080,14 €, das sie anschließend mit einem Einfamilienhaus bebauten. Die gesamten Herstellungskosten des Gebäudes betrugen 339.344,53 € (brutto). Die Kläger nutzten anschließend das Gebäude zu insgesamt 25 % betrieblich (für jeweils ihren Gewerbebetrieb) und aktivierten den Grund und Boden mit insgesamt 15 %. Den jeweils betrieblich genutzten Grundstücksanteil ordneten sie beiden Gewerbetrieben jeweils hälftig zu. Die 25 % der betrieblichen Nutzfläche umfassten die Garage, den über der Garage liegenden Büroteil, den anteiligen Windfang und das Gäste-WC. Insgesamt ergab sich folgende Grundstücksaufteilung:

Von der Gesamtfläche des Grund und Bodens (923 m²; 82.080,14 €) entfielen auf den Betrieb der Klägerin 69,25 m² (= 6.150,19 €) und den Betrieb des Klägers 69,25 m² (= 6.150 €).

Von der Gesamtfläche des Gebäudes (235 m²; 339.344,53 €) entfielen auf den Betrieb der Klägerin 29,48 m² (= 36.849,49 €) und den Betrieb des Klägers 29,48 m² (= 36.849,49 €).

Im Jahr 2011 beendete der Kläger seine gewerbliche Tätigkeit und veräußerte seine betrieblichen Anteile am Gebäude und am Grund und Boden an die Klägerin. Diese aktivierte die erworbenen Wirtschaftsgüter in ihrem betrieblichen Anlagevermögen.

Im Streitjahr 2015 veräußerten die Kläger das Grundstück für insgesamt 495.000 €. In § 2 des notariellen Veräußerungsvertrages vom 5. Februar 2015 hielten die Vertragsparteien fest, dass sich der Kaufpreis in einen Betrag von 422.500 € für das Wohnhaus mit anteiliger Grundstücksfläche von 784,05 m² und in einen Betrag von 72.500 € für den gewerblichen Teil mit anteiliger Grundstücksfläche von 138,5 m² aufteile.

Für den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2015 teilte die Klägerin den Veräußerungserlös wie folgt auf:

Von dem gesamten Veräußerungserlös entfielen danach 97.000 € auf den Grund und Boden (Grundstückspreis von 105 €/m² x 923 m²). Weitere 6.500 € ordnete die Klägerin der Hofbefestigung und 10.000 € der Einbauküche zu. Danach verblieben 381.500 € des Erlöses für das Gebäude.

In der Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die Klägerin folgenden Veräußerungsgewinn für den betrieblichen Grundstücksteil:

Veräußerungserlös Grund und Boden (105 €/m² x 138,5 m²): 14.500 €

Veräußerungserlös Gebäude (1.000 €/m² x 51,45 m²): 51.500 €

Veräußerungserlös Wegbefestigung: 6.500 €

Abzüglich Buchwert Grund und Boden: 12.350,19 €

Abzüglich Buchwert Gebäudeteil: 55.240 €

Abzüglich Buchwert Wegbefestigung: 729 €

Veräußerungsgewinn: 4.180,81 €

Das beklagte Finanzamt vera...

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