Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch bei Ablösung eines dinglichen Wohnrechts durch Vereinbarung einer Versorgungsrente. Einkommensteuer 1987 und 1988

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein dingliches Wohnrecht zwar durch Vereinbarung einer privaten Versorgungsrente abgelöst worden, haben die ehemals Wohnrechtsberechtigten aber nach dem Gesamtbild des Vertrages ihre ursprünglich gesicherte Rechtsposition ungeschwächt beibehalten, kann der Vertrag wegen Gestaltungsmissbrauchs nicht anerkannt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.10.1996; Aktenzeichen IX R 65/94)

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein dingliches Wohnrecht durch Vereinbarung einer privaten Versorgungsrente wirksam abgelöst und dadurch eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last begründet worden ist und ob die Kläger (Kl.) numehr negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V) erzielen.

Im Jahre 1982 ist dem Kl. von seinem Vater das Wohngrundstück in … im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden. Dem Vater sowie der Mutter wurde ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an sämtlichen Räumen im Erdgeschoß des Hauses eingeräumt. Mit notariellem Vertrag vom 23.09.1985 wurde das Wohnrecht rückwirkend zum 01.01.1984 gegen Zahlung einer monatlichen Rente von 315 DM aufgehoben. Dabei wurde ausdrücklich eine Änderungsmöglichkeit nach § 323 Zivilprozeßordnung (ZPO) vorgesehen (§ 3 des notariellen Vertrages). Die monatliche Rente wurde durch Eintragung einer entsprechenden Reallast im Grundbuch gesichert. Das dingliche Wohnrecht hingegen wurde im Grundbuch nicht gelöscht; es sollte nach dem ausdrücklichen Willen der Parteien zur weiteren Absicherung der ehemals Wohnberechtigten im Grundbuch verbleiben, jedoch nicht mehr „valutieren”. Das schuldrechtliche Wohnrecht selbst jedoch sollte seit dem 01.01.1984 nicht mehr bestehen. Der ehemals Wohnberechtigte sollte vielmehr ab 01.01.1984 wie ein fremder Mieter die ortsübliche Miete zahlen. Die Parteien schlossen deshalb auch am 30.09.1985 einen Mietvertrag (Bl. 62 bis 65 der Einkommensteuerakte 1984). Danach sollte der Vater des Kl. ab 01.01.1984 an den Kl. einen monatlichen Mietzins in Höhe von 315 DM für die Erdgeschoßwohnung entrichten.

In dem notariellen Vertrag vom 23.09.1985 bestimmten die Parteien ferner, daß der ehemals Wohnberechtigte bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, nämlich u. a. bei Tod oder Konkurs der Kl., Auflösung der Ehe, drohender Zwangsvollstreckung in das Grundstück oder Verfügung ohne Zustimmung der Eltern, erneut die Bestellung eines lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnrechts verlangen kann. In § 3 heißt es hierzu:

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 23.09.1985 und den Vertrag vom 24.06.1982 verwiesen (Einkommensteuerakte, Vorheftung).

Für 1987 und 1988 beantragten die Kl. die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung. Sie machten dabei für die Streitjahre negative Einkünfte aus V+V aus dem streitigen Grundstück geltend, und zwar für 1987 in Höhe von 6.522 DM und für 1988 in Höhe von 7.510 DM. Als Einnahmen berücksichtigten sie dabei den Mietwert der eigengenutzten Wohnung sowie die von dem Vater vereinnahmte Miete. Weiter beantragten sie, die monatlichen Rentenzahlungen von 315 DM an die Eltern als dauernde Last zu berücksichtigen (insges. 3.780 DM).

Das Finanzamt (FA) versagte den Abzug der dauernden Last mit der Begründung, daß mangels Löschung im Grundbuch das dingliche Wohnrecht nicht wirksam aufgehoben sei. Es erkannte deshalb die Rentenzahlungen nicht als eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last an; die Einkünfte aus V+V ermittelte das FA nicht nach § 21 Einkommensteuergesetz (EStG), sondern lediglich für die von den Kl. selbst genutzte Wohnung nach § 21 a EStG.

Gegen diese Steuerbescheide legten die Kl. Einspruch ein. Das ursprünglich für den Vater des Kl. bestellte unentgeltliche dingliche Wohnrecht sei durch notariellen Vertrag wirksam aufgehoben worden. Die Löschung im Grundbuch sei nicht Voraussetzung für eine wirksame Aufhebung eines dinglichen Wohnrechts.

Gleichzeitig beantragten sie, aus Billigkeitsgründen die Einkommensteuer für die Streitjahre abweichend festzusetzen und die geleisteten Rentenzahlungen als dauernde Last anzuerkennen. Das FA lehnte eine Änderung der Bescheide ab, da weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe erkennbar seien. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde von der Oberfinanzdirektion als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den Beschwerdebescheid wurde Klage nicht erhoben.

Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück, da nach seiner Ansicht zur Aufhebung eines dinglichen Wohnrechts die Löschung im Grundbuch erforderlich sei (§§ 875, 1072 BGB).

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Kläger beantragen, die geltend gemachten Verluste aus V+V anzuerkennen und die monatlichen Rentenzahlungen als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, da die Anpassung ...

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