Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinderfreibetrag trotz Verzichtserklärung. Änderung des Steuerbescheids. Zu Unrecht gewährter Kinderfreibetrag: Ist einem Elternteil ein Kinderfreibetrag zu Unrecht gewährt worden, kann das FA den Steuerbescheid gemäß § 174 Abs. 2 AO ändern. Einkommensteuer 1995

 

Leitsatz (amtlich)

Wurde in einem Steuerbescheid erklärungsgemäß ein halber Kinderfreibetrag berücksichtigt, obwohl die Steuerpflichtige zuvor ihren Verzicht auf den Kinderfreibetrag zu Gunsten des anderen Elternteils erklärt hatte, so kann die doppelte Berücksichtigung des Kinderfreibetrags nach § 174 Abs. 2 AO korrigiert und der Steuerbescheid insoweit geändert werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 2, 1; EStG 1990 § 32 Abs. 6

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage der Berücksichtigung von Kinderfreibetrag und Kinderbetreuungskosten im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung.

Streitjahr ist das Jahr 1995.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung führte die Klägerin auf Seite 2 des Mantelbogens ihren Sohn J. (geb. am 10.11.1992) als leibliches Kind an. Weitere Angaben zu dem Kind erfolgten nicht. Auf der gleichzeitig abgegebenen Lohnsteuerkarte 1995 war ein halber Kinderfreibetrag für dieses Kind eingetragen.

Unter dem 27.02.1996 erteilte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen Einkommensteuerbescheid, in welchem er für die Klägerin einen halben Kinderfreibetrag in Höhe von 2.052,00 DM steuermindernd berücksichtigte.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Halbierung des Höchstbetrages der Kinderbetreuungskosten und die Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen des § 33 c EStG wandte.

Unabhängig hiervon erteilte das FA unter dem 24.04.1996 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in welchem es den Kinderfreibtrag von 2.052,00 DM nicht mehr gewährte. Unter den Erläuterungen heißt es:

„Der Kinderfreibetrag für das am 10.11.1992 geborene Kind konnte Ihnen nicht gewährt werden, weil Sie der Übertragung des Freibetrages auf den anderen Elternteil unwiderruflich zugestimmt haben.”

Gegen diesen Bescheid, der als Änderungsvorschrift den §§ 172 Abs. 1 Nr. 2 AO auswies, wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 15.05.1995. Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens, in welchem das FA die rückwirkende Nichtberücksichtigung des halben Kinderfreibetrages zunächst nicht mehr auf § 172 Abs. 1 Nr. 2, sondern auf § 173 Abs. 1 Nr. 1, sodann auf § 174 Abs. 2 und § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, wies es die Klägerin darauf hin, daß sie einer Übertragung des Kinderfreibetrages im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens des Kindesvaters – Herr K. – durch Unterzeichnung der „Anlage K” am 02.12.1994 zugestimmt habe.

In der Folgezeit erteilte das FA unter dem 20.01.1997 einen Einspruchsbescheid, mit dem sie den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückwies. Im Einspruchsbescheid wies das FA darauf hin, daß der halbe Kinderfreibetrag in Höhe von 2.052,00 DM der Klägerin nicht zu gewähren sei. Als Rechtsgrundlage für die Änderung des Bescheides vom 27.02.1996 gab das FA nunmehr in erster Linie § 174 Abs. 2 AO und zudem § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO an. Darüber hinaus wies das FA darauf hin, daß dem Einspruch der Klägerin zwar insoweit entsprochen werden könne, als die zumutbare Eigenbelastung bei den Kinderbetreuungskosten gemäß § 33 c EStG nunmehr nicht mehr anzurechnen sei. Eine steuerliche Auswirkung ergäbe sich daraus jedoch nicht.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie ist der Auffassung, der Änderungsbescheid des FA vom 24.04.1996 sei zu ändern, soweit hier der halbe Kinderfreibetrag nicht mehr angesetzt worden sei. Auch der Bescheid vom 27.02.1996 sei aufzuheben, weil nach wie vor bei den Kinderbetreuungskosten gemäß § 33 c EStG die zumutbare Eigenbelastung gegengerechnet worden sei. Hinsichtlich der rückwirkenden Nichtgewährung des halben Kinderfreibetrages von 2.052,00 DM im Bescheid vom 24.04.1996 habe das FA nach wie vor keine geeignete Rechtsgrundlage für den Änderungsbescheid angeführt. Die nunmehr angegebenen Rechtsgrundlagen (§§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) seien ebenfalls nicht zutreffend. Im Streitfall liege kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO vor. Als solches komme nur ein Ereignis in Betracht, das bei Ergehen des Steuerbescheides vom 27.02.1996 noch nicht bestanden habe und der bei Erlaß des Steuerbescheides vorliegende Sachverhalt fehlerfrei erfaßt worden sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, denn das FA habe es versäumt, die Übertragungserklärung der Klägerin vom 02.12.1994 zu berücksichtigen. Auch eine Änderung gemäß § 174 Abs. 2 AO scheide als Rechtsgrundlage aus. Nach dieser Vorschrift dürfe ein Steuerbescheid nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhaltes auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sei. Ein entsprechender Antrag bzw. eine Erklärung liege jedoch nicht vor, insbesondere...

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