Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Anschaffung eines Wirtschaftsguts

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Erwerber hat i.d.R. erst dann die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein WG, wenn er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Das erfordert i.d.R. den Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten.
  2. Sind am Bilanzstichtag nicht alle vorbezeichneten Merkmale erfüllt, bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung der mit dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand verbundenen Chancen und Risiken.
  3. Gegen den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums spricht es insbesondere, wenn die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des WG noch nicht auf den Erwerber übergegangen ist.
  4. Maßgeblich für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs sind in erster Linie die zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen.
 

Normenkette

EStG § 7; EStDV § 9a

 

Streitjahr(e)

2004, 2005, 2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.09.2016; Aktenzeichen IV R 1/14)

 

Tatbestand

Streitig ist der Zeitpunkt der Anschaffung von Windkraftanlagen.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren Unternehmen auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Energieerzeugung gerichtet ist. Durch Vertrag vom 8. Oktober 2003 beauftragte sie die L mit der schlüsselfertigen Errichtung von fünf Windkraftanlagen. Der Gesamtpreis für die Lieferung und Errichtung der Anlagen belief sich auf xx.xxx.xxx EUR.

Nach § 3 Nr. 1 des Vertrages erfolgte die Übergabe der Anlage durch Aushändigung eines von einem mit der Abnahme beauftragten Sachverständigen erstellten Abnahmeprotokolls an den Auftraggeber. Mit der Feststellung der Mängelfreiheit trat der Auftragnehmer sämtliche Ansprüche einschließlich Gewährleistungsansprüchen gegen Lieferanten und die von ihm zur Erfüllung des Vertrag eingeschalteten Personen an die Auftraggeberin ab (§ 3 Nr. 5 des Vertrags). Mit der Feststellung der Mängelfreiheit und der Übertragung der Gewährleistungsansprüche gegen die Vorlieferanten ging die Gefahr auf die Auftraggeberin über (§ 3 Nr. 6 des Vertrags).

Wegen der weiteren Einzelheiten der getroffenen Vereinbarungen wird auf den Vertrag vom 8. Oktober 2003 (Blatt 9 bis 11 der Betriebsprüfungsarbeitsakte - BpAA - ) Bezug genommen.

Die L beauftragte ihrerseits durch Vertrag vom 6. Juni 2004 die E mit der Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Anlagen. Nach Nr. 8 dieses Vertrags ging das Risiko der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs nach § 446 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ab Vollendung der Montage der Windenenergieanlage auf den Auftraggeber über. Wegen der weiteren Einzelheiten der getroffenen Vereinbarungen wird auf den Inhalt dieses Vertrags (Blatt 14 bis 18 BpAA) Bezug genommen.

In der Zeit zwischen dem 2. November 2004 und dem 8. November 2004 setzte die E die Windkraftanlagen in Betrieb. Am 8. September 2005 nahm die L die Anlagen von der E ab. Auf den Inhalt der Abnahmeprotokolle (Blatt 56 bis 61 BpAA) wird Bezug genommen.

Durch Vertrag vom 17./22. Juni 2004 hatte die Klägerin die E mit der Instandhaltung der Anlagen und dem Abschluss eines Versicherungsvertrags für diese beauftragt. Der Vertrag sollte nach beidseitiger Unterzeichnung, frühestens jedoch mit Abnahme der Windenenergieanlagen in Kraft treten. Die E schloss - erstmals anscheinend am 1. Februar 2005 - einen Vertrag über eine Maschinen- und eine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherung mit der R Versicherung AG ab. Auf den Versicherungsschein-Auszug vom 1. Juni 2005 - Austauschseite zum Versicherungsscheinauszug vom 1. Februar 2005 - (Blatt 74 BpAA) wird Bezug genommen.

Die Einnahmen aus dem Betrieb der Anlagen flossen von Anfang an der Klägerin zu. Im Jahr 2004 beliefen sich diese auf xxx.xxx EUR. Die Kosten für die Instandhaltung und die Versicherung der Anlagen wurden von der Klägerin ab dem 8. September 2005 getragen.

In den Gewinnermittlungen für die Streitjahre 2004 bis 2006 behandelte die Klägerin die Windkraftanlagen als einheitliche Wirtschaftsgüter und nahm darauf ab dem 1. November 2004 nach einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 16 Jahren bemessene degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung (a.F.) in Höhe von 12,5 Prozent und Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG a.F. in Höhe von 4 Prozent vor. Zum 31. Dezember 2003 wies die Klägerin ein Betriebsvermögen in Höhe von 468.000 EUR und zum 31. Dezember 2004 ein Betriebsvermögen in Höhe von 2.500.000 EUR aus. In dem Betriebsvermögen zum 31. Dezember 2003 waren Ansprüche auf ausstehende Kommanditeinlagen in Höhe von 300.000 EUR enthalten.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zunächst erklärungsgemäß fest. Der Feststellungsbescheid für 2006 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Windkraftanlagen nicht als einheitliche Wirtschaftsgüter anzusehen, sond...

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