Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung eines Wohnrechts

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 16 BewG ist bei der Wertermittlung aufgrund der „Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht notierten Anteilen an KapG und von BV für die ErbSt ab 1.1.2009” in den §§ 157ff. BewG nicht anzuwenden.
  2. Die in § 16 BewG vorgesehene Deckelung ist nicht mehr geboten und gerechtfertigt, wenn das belastete WG nach §§ 157ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird. In diesem Fall verhinderte die Anwendung des § 16 BewG die Verkehrsbewertung der Nutzungen, die verfassungsrechtlich geboten ist.
 

Normenkette

BewG §§ 16, 157, 177, 198; ErbStG § 10 Abs. 6 S. 6; GG Art. 3 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2010

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.04.2014; Aktenzeichen II R 48/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewertung eines Wohnrechts.

Dem im Oktober 1935 geborenen Kläger war im Jahr 2000 von seiner langjährigen Lebensgefährtin ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht an einem Hausgrundstück vermacht worden. Das Hausgrundstück selbst hatte die Lebensgefährtin an ihre Enkelin vererbt, die gleichzeitig die Pflegetochter des Klägers war.

Mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 2010 übertrug die Pflegetochter das Grundstück ohne Vereinbarung einer Gegenleistung auf den Kläger. Gleichzeitig wurde die Löschung des Wohnrechts des Klägers beantragt. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde in dem Vertrag mit 60.000 €, der des Wohnrechts mit 43.000 € beziffert. Die Werte basierten auf einem von dem Kläger eingeholten Sachverständigengutachten.

Der steuerlich zunächst nicht vertretene Kläger legte dieses Gutachten auch dem Beklagten im Verfahren über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes vor. Mit Bescheid des Beklagten vom 26. April 2011 stellte dieser jedoch – ohne Berücksichtigung des Wohnrechts – einen Grundbesitzwert in Höhe von 53.874 € fest und verwies in der Begründung des Bescheides darauf, dass „der ermittelte Grundbesitzwert nicht höher ist als der Verkehrswert”. Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

In der Schenkungssteuererklärung gab der Kläger den Wert des Grundstücks mit 17.000 € an. Der Beklagte übernahm jedoch den festgestellten Grundbesitzwert von 53.874 €, wiederum ohne das Wohnrecht bei der Berechnung der Schenkungsteuer in Abzug zu bringen.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 15. September 2011 und bat um Berücksichtigung des Wohnrechts. Der Beklagte setzte daraufhin das Wohnrecht mit einem Wert von 23.000 € an. Bei der Ermittlung des Jahreswertes des Wohnrechts berücksichtigte er die in § 16 des Bewertungsgesetzes (im Folgenden: BewG) bestimmte Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen auf 1/18,6 des „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert[es]”. Unter Berücksichtigung eines Jahreswertes in Höhe von (53.874 € / 18,6 =) 2.896 und eines Vervielfältigers von 7,942 ergab sich – nach Abzug von Erwerbsnebenkosten in Höhe von 732 € – ein Steuerwert der Bereicherung in Höhe von (53.874 € ./. 23.000 € ./. 732 € =) 30.142 €.

Gegen den entsprechenden Einspruchsbescheid des Beklagten vom 27. Januar 2012 erhob der Kläger Klage.

Er ist der Auffassung, für Zwecke der Schenkungssteuer seien die von ihm durch Sachverständigengutachten nachgewiesenen Verkehrswerte in Höhe von 60.000 € für das Grundstück und in Höhe von 43.000 € für das Wohnrecht zugrunde zu legen, so dass sich aufgrund des für den Kläger geltenden erbschaftsteuerlichen Freibetrages in Höhe von 20.000 € keine steuerpflichtige Bereicherung mehr ergebe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über Schenkungsteuer vom 25. August 2011 in der zuletzt ergangenen Fassung und der Einspruchsbescheid vom 27. Januar 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Jahreswert des Wohnrechts sei – wie geschehen – nach § 16 BewG auf ein 18,6tel des Steuerwertes des Grundstücks zu begrenzen und daher nur in der erfolgten Höhe von dem Grundbesitzwert abzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen in § 16 BewG ist nach Auffassung des Senates bei der Wertermittlung nach §§ 157 ff. BewG nicht anzuwenden.

1. Mit der unentgeltlichen Grundstücksübertragung liegt ein schenkungssteuerpflichtiger Vorgang nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes (im Folgenden: ErbStG) vor. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist.

2. Erworbener Grundbesitz ist nach § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert, also mit dem Grundbesitzwert nach §§ 138, 157 BewG, anzusetzen. Die Grundbesitzwerte sind nach §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 179 AO gesondert festzustellen. Die entsprechend ergehenden Feststellungsbescheide sind nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für die Folgebescheide als Grundlagenbescheide bindend.

Im Streitfall wurde der Grundbesitzwert durch Bescheid vom 26. April 2011 des Beklagte...

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