Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren - Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung.
  2. Die für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung erforderlichen Feststellungen sind zwar nicht nach den Vorschriften der StPO, sondern nach denjenigen der AO und der FGO zu treffen. Indessen ist auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren der Grundsatz „in dubio pro reo” zu beachten.
  3. Bezüglich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung ist kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trägt.
  4. Bei nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes nicht zulässig.
  5. Die Schätzung der Höhe hinterzogener Steuern bleibt trotz Geltung des Grundsatzes „in dubio pro reo” möglich.
  6. Zur Glaubwürdigkeit von Zeugen im Einzelfall.
 

Normenkette

AO §§ 270, 162; FGO § 104 Abs. 2, § 79a; EStG § 3 Nr. 40

 

Streitjahr(e)

2001, 2002, 2003, 2004, 2005

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.12.2019; Aktenzeichen X R 5/18)

BFH (Urteil vom 03.12.2019; Aktenzeichen X R 5/18)

 

Tatbestand

Streitig sind nach einer Außen- und Fahndungsprüfung ergangene Einkommensteuerbescheide.

Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

Der am … geborene Kläger verpachtete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung die wesentlichen Betriebsgrundlagen an … GmbH (im Folgenden: GmbH), deren alleiniger Gesellschafter er war. Bis … war er auch Geschäftsführer der GmbH. Anschließend übernahm die Klägerin die Geschäftsführung. Die GmbH stellte mit ca. 30 Arbeitnehmern hauptsächlich … her. Das hierfür benötigte Metall bezog sie als zu sogenannten Coils aufgewickeltes Metallband oder als Tafelbleche.

Der anfallende Schrott wurde in drei firmeneigenen Containern für Alu-, Edelstahl- (VA-, V2A-, V4A-Stahl) und sonstigen (Schwarzblech- oder Stahl-) Schrott gesammelt. Fremdfirmen holten die Container nach telefonischer Absprache ab und brachten sie am gleichen Tag geleert wieder zurück. Die GmbH erhielt von den Aufkäufern Gutschriften, die per Scheck bezahlt worden sind.

Das Unternehmen sollte ursprünglich an den Angestellten A, seit mehr als einem Jahrzehnt Prokurist der GmbH, veräußert werden. Die Verhandlungen zerschlugen sich wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen. A schied im Jahr nach dem letzten Streitjahr… nach einem Zerwürfnis aus dem Unternehmen aus. A und der Werkstattleiter B gründeten daraufhin die … GmbH u. Co KG (im Folgenden: KG) mit Sitz ebenfalls in X, die die gleichen Arbeiten wie die GmbH anbot. Mehrere Arbeitnehmer wie auch Kunden wechselten von der GmbH zu der neuen Firma. Es kam zu einer Vielzahl von auch gerichtlichen Auseinandersetzungen. Unter anderem soll der Kläger den Mitarbeiter C beauftragt haben, jemanden zu suchen, der A und B umbringt. Der Betrieb der GmbH wurde ca. zwei Jahre nach dem Ausscheiden von A eingestellt. Die Gesellschaft ist inzwischen aufgelöst und befindet sich in Liquidation. Die Klägerin ist die Liquidatorin der GmbH.

Die Kläger betreiben seit dem ersten Streitjahr einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Eigenjagd in Y (Mecklenburg-Vorpommern)…

Die Kläger reichten ihre Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 1-4 jeweils im zweiten Jahr nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums und die Einkommensteuererklärung des fünften Streitjahres im Jahr 2010 ein.

Ein Anzeigeerstatter beschuldigte die GmbH in dem Jahr nach dem letzten Streitjahr, einen Metallaufkäufer zu beliefern, wobei die Abrechnungen bar und außerhalb der Buchführung erfolgten. Der Aufkäufer betrüge allerdings beim Wiegen. Der Umfang der Schrottlieferungen der GmbH habe 3 -4.000 € monatlich betragen.

Im Rahmen der Ermittlungen gegen den Metallaufkäufer fand eine Durchsuchung bei den Klägern statt. Dabei wurden zwei Wiegekarten im Original – nach Darstellung des Finanzamts: im Waffenschrank des Wohnhauses – aufgefunden, denen keine Gutschriftbuchungen in der Buchführung entsprachen. Die Unterlagen über Schrottverkäufe fanden sich zum Teil in einem Standordner und zum Teil chronologisch geordnet in einem Seitenfach des Schreibtischs der Klägerin in den Räumlichkeiten der GmbH. In einer Anzeige gegen die GmbH aus dem ersten Streitjahr, die sich auf die 90er Jahre bezieht, heißt es, es sei gängige Praxis, dass die Fahrer der GmbH die Erlöse aus Schrottverkäufen bar vereinnahmten und anschließend dem Kläger aushändigten. A sagte aus, seit dem Jahr vor dem ersten Streitjahr/dem ersten Streitjahr habe die Klägerin den Verkauf der Metallabfälle gänzlich selbst abgewickelt.

Bei den im Jahr nach dem letzten Streitjahr begonnenen Außenprüfungen für die Streitjahre 2 - 4 (später erweitert auf das Streitjahr 5) bei dem Kläger und der GmbH stellte der Prüfer eine Vielzahl von verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von mehr als 350.000 € fest, darunter die streitigen Zuschätzungen bei den Schrotterlösen und als Betriebsausgaben der GmbH...

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