rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlassbedürftigkeit, wenn sämtliche andere Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei einer Erlassentscheidung nach § 227 AO ist die Billigkeit sowohl tatbestandsmäßige Voraussetzung des Erlasses als auch Ermessensschranke.
  2. Für die Ermessensprüfung kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an, die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gegeben bzw. erkennbar waren.
  3. Zu der Frage, wann Unbilligkeit in der Sache gegeben ist.
  4. Nach Sinn und Zweck des § 227 AO ist eine uneingeschränkte Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht ermessensgerecht, wenn die anderen Gläubiger über nicht anfechtbare Sicherheiten verfügen, die eine vollständige Befriedigung für diese erwarten lässt.
 

Normenkette

AO § 227

 

Streitjahr(e)

2012

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Entscheidung des Beklagten, einen Erlass einbehaltener und an das Finanzamt abgeführter Kapitalertragsteuer aus der Auszahlung einer Kapitallebensversicherung im Veranlagungsjahr 2012 bzw. die festgesetzte Einkommen-steuer und den Solidaritätszuschlag zu erlassen, rechtswidrig ist und ob der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Die Klägerin erhielt am 22. November 2012 die Auszahlung einer fälligen Lebensversicherung in Höhe von xxx EUR von der „V…”. Lt. der Steuerbescheinigung vom 20. November 2012 betrugen die Kapitalerträge 118.017,67 EUR, Kapitalertragsteuer wurde in Höhe von xxx EUR und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer in Höhe von xxx EUR einbehalten.

Die Zahlung ist nach Bescheinigung der „Öffentliche Versicherung Z” dergestalt verwendet worden, dass

ein Betrag in Höhe von 12.000 EUR für ein offenes Policendarlehen an die „V...”,

ein Betrag in Höhe von 36.507 EUR an die X… Bausparkasse und

nach Abzug der abgeführten Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein Restbetrag von xxx EUR auf die angegebene Bankverbindung der Klägerin überwiesen worden ist.

Die Klägerin hatte die Rechte aus der o.g. Lebensversicherung an die X Bausparkasse abgetreten (Erklärung vom 23. November 2009). Die Verpflichtung gegenüber der X. betrug bis zur Ablösung ca. 26.500 EUR. Der Lebensversicherungsvertrag war zudem gegenüber der „V” i.H.v. 12.000 EUR beliehen. Zum 1. September 2009 verfügte die Versicherung über einen Rückkaufswert in Höhe von 140.165 EUR (Schreiben der Versicherung vom 27. November 2009; Erhebungsakte Bl. 191). Die Klägerin verkaufte ihre Wohnung in Y durch Vertrag vom 13. August 2013 für einen Betrag in Höhe von 48.500 EUR. Sie erwarb durch Vertrag vom 29. August 2013 eine Wohnung in C (…) für einen Kaufpreis in Höhe von 55.000 EUR.

Die Klägerin wurde mit Bescheid vom … Oktober 2013 zur Einkommensteuer für 2012 (Streitjahr) veranlagt. Hierbei berücksichtigte das Finanzamt die vorgenannten Beträge entsprechend der Steuerbescheinigung. Es ergab sich eine festgesetzte Einkommensteuer in Höhe von … EUR, ein Solidaritätszuschlag in Höhe von … EUR und Kirchensteuer (evangelisch) in Höhe von … EUR. Die Steuerabzugsbeträge wurden auf die festgesetzte Steuer angerechnet, so dass sich ein Erstattungsbetrag zugunsten der Klägerin ergab.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch Schreiben vom 15. Oktober 2013 beim Finanzamt Y Einspruch ein und beantragte gleichzeitig den Erlass von Einkommensteuer des Streitjahres in Höhe von … EUR zuzüglich der entsprechenden Nebenleistungen.

Die Klägerin begründete diesen Einspruch gegen die Festsetzung nicht. Das Finanzamt Y wies den Einspruch insoweit durch Entscheidung vom 9. Januar 2014 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.

Den Erlassantrag begründete die Klägerin dahingehend, dass die ausgezahlte Lebensversicherung als Grundlage für die Rente der Klägerin gedacht gewesen sei. Sie berief sich zudem darauf, dass sie lediglich über geringe Einkünfte aus einer Zusatzrente in Höhe von 389 EUR verfüge. Weiterhin habe sie, die Klägerin, eine Wohnung für 30.000 EUR gemäß Kaufvertrag vom 29. August 2013 erworben und beabsichtigte, wieder - in Teilzeit in einem Nagelstudio - zu arbeiten, obwohl sie zu 50 % schwerbehindert sei.

Das Finanzamt forderte im Laufe des Erlassverfahrens Unterlagen hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin an. Durch Schreiben vom 30. Dezember 2013 nahm die Klägerin hierzu Stellung und übersandte diverse Unterlagen, insbesondere zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen

den Vertrag mit der „V” ….,

eine Verpfändungserklärung der Lebensversicherung an die „X- Bausparkasse AG”,

Informationen über den Stand der Lebensversicherung zum 26. Juni 2009 und über gezahlte Zinsen für das Policen-Darlehen,

den Vertrag über den Verkauf einer Wohnung in Y (Verkaufspreis lt. Vertrag vom … 2013: … EUR),

den Kaufvertrag vom … August 2013, durch den sie sich zum Erwerb einer Wohnung in C (…) für einen Kaufpreis in Höhe von 55.000 EUR verpflichtet hat,

eine Rentenauskunft sowie

Nachweise über Betriebskosten der Wohnung in C.

In de...

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