vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [X R 29/10)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung nach § 173 AO bei geschätzten Besteuerungsgrundlagen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen der Änderung eines Bescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
  2. Ändert die Finanzbehörde einen bestandskräftigen Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Ungunsten des Stpfl., trägt sie grds. die objektive Beweislast dafür, dass die für die Änderung erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen.
  3. Hat ein Stpfl. in seiner Einnahme-Überschussrechnung zwar Übernachtungsaufwand als Reisekosten deklariert, stellt sich aber später heraus, dass die Übernachtungsaufwendungen durch Aufenthalte in Großbritannien veranlasst sind und der Stpfl. die Pauschalen für Auslandsübernachtungen angesetzt hat, obwohl tatsächlicher Übernachtungsaufwand nicht angefallen ist, weil der Stpfl. bei seiner Mutter übernachtet hat, so liegen neue Tatsachen vor, die zu einer Korrektur des Bescheides berechtigen.
 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2004, 2005, 2006

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 19.10.2011; Aktenzeichen X R 29/10)

BFH (Beschluss vom 19.10.2011; Aktenzeichen X R 29/10)

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als selbstständiger Mediendesigner tätig und erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Einkommensteuergesetz (EStG). Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG. Die vom Kläger im Rahmen seiner Steuererklärung für 2004 beigefügte Einnahme-Überschussrechnung weist unter dem Konto 4676 „Reisekosten UN Übernachtungsaufwand” einen Betrag von 5.724 € aus. In der Anlage EÜR zur Steuererklärung 2006 sind Reisekosten i.H.v. 2.146 € enthalten; davon entfallen 1.368 € auf Übernachtungsaufwendungen.

Die Kläger wurden zunächst erklärungsgemäß für die Jahre 2004 und 2006 zur Einkommensteuer veranlagt; der Kläger erhielt einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2006, der ebenfalls den Angaben in der Steuererklärung entsprach. Die genannten Bescheide wurden bestandskräftig.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) führte im Herbst 2008 bei dem Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2004 - 2006 durch. Im Rahmen dieser Außenprüfung gab der Kläger gegenüber dem Prüfer an, dass sich die Übernachtungsaufwendungen durch Aufenthalte in Großbritannien ergeben hätten. Dabei habe er in 2004 überwiegend und im Jahr 2006 ausschließlich bei seiner Mutter in B übernachtet. Von dort habe er dann die Kunden in und um London aufgesucht. Die Übernachtungsaufwendungen habe sein Steuerberater anhand der geltenden Pauschalen wie folgt ermittelt: 53 Übernachtungen á 108 € = 5.724 € in 2004 und 9 Übernachtungen á 152 € = 1.368 € in 2006.

Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass der Ansatz der Pauschalen nicht möglich sei, da diese zu einer offensichtlich unrichtigen Besteuerung führten. Er schätzte den Übernachtungsaufwand mit 25 € pro Übernachtung (53 x 25 € = 1.325 € in 2004 und 9 x 25 € = 225 € in 2006). Das FA schloss sich dieser Auffassung an und erließ entsprechende nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderte Steuerbescheide.

Gegen diese Änderungsbescheide wenden sich die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Zur Begründung tragen sie vor, dass eine Änderung der Bescheide nach §173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Insoweit handele es sich bei dem Umstand, dass der Kläger im Rahmen seiner Aufenthalte in Großbritannien bei seiner Mutter übernachtet habe, nicht um eine neue Tatsache im Sinne der Norm. Dieser Umstand sei vielmehr lediglich eine Hilfstatsache, die aber nicht den sicheren Schluss auf die Haupttatsache erlaube. Vorliegend habe das FA die Ausgangsbescheide nur aufgrund von Schätzungen geändert; Schätzungen für sich seien jedoch keine neuen Tatsachen.

Im Übrigen habe das FA die Aufwendungen zu niedrig geschätzt, da der Kläger nach seiner Erinnerung in 2004 einen Teil der Übernachtungen im Hotel verbracht habe. Insoweit sei von Aufwendungen i.H.v. mindestens 75 € pro Übernachtung auszugehen. Schließlich habe der Kläger quasi als Gegenleistung für die Übernachtungen bei der Mutter Aufwendungen (z.B. Einkäufe) für diese übernommen. Hierzu legt er ein Schreiben seiner Mutter vom 20. Februar 2009 in englischer Sprache vor, in der die Mutter angibt, dass sich der Kläger bei seinen Aufenthalten in geringem Umfang an den Lebenshaltungskosten beteiligt habe; an den genauen Betrag könne sie jedoch nicht erinnern. Im Rahmen des Erörterungstermins am 11. Februar 2010 hat der Kläger ausdrücklich erklärt, seiner Mutter keine Geldbeträge zugewandt zu haben, sondern ausschließlich kleinere Aufwendungen für sie übernommen zu haben.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide über Einkommensteuer 2004 und 2006 vom 27. April 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2009 aufzuheben;

der Kläger beantragt weiterhin,

den Gewerbesteuermessb...

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